Half Pint Heroes

Half Pint Heroes Cover
Cover / Foto: Corax Games

Bevor ich vor einigen Jahren Brettspiele erneut kennen und lieben lernte, traf man mich häufiger in suspekten Kneipen und Spelunken an. Vor allem, wenn mal wieder dem Lieblingsfußballverein durch das ganze Land hinterher gereist wurde. Bisher ließen sich diese beiden Hobbies nur schwer verbinden, doch nun versetzt der junge Verlag aus Merseburg, Corax Games, mit seiner ersten komplett eigenen Veröffentlichung die Spieler in genau solch eine Szenerie und kombiniert damit diese beiden Welten. Zu Grunde liegt ein Stich-Ansage-Spiel der etwas anderen Art für bis zu sieben Spieler, also auch für den Einsatz in größeren Gruppen geeignet. Was dabei genau passiert und wie sich das spielt, erfahrt ihr in folgender Rezension.

Spielmaterial:

65 Spielkarten in 5 Farben zeigen jeweils die Werte 1 bis 13. Jeder Spieler erhält eine Übersichtskarte sowie einen Wettchip und die vier Ansagekarten (Wert 0-3) seiner Farbe. Ein Blick auf den Punkteblock mit nur 13 Wertungsblättern lässt leider vermuten, dass der Verlag selbst nicht so recht an den Erfolg seines Produktes glaubt.

Spielmechanismus:

Jede Spielkarte zeigt neben einer schönen Grafik, Wert und Farbe auch eine Angabe wie die Karten in dieser Runde aufgeteilt werden. Es stehen immer acht Karten für Stiche zur Verfügung, einige bekommen die Spieler auf die Hand, andere liegen offen in der Mitte für alle Spieler. Entsprechend erhalten alle Spieler ihre Handkarten und müssen sich festlegen, wie viele Stiche sie in dieser Runde denken zu erreichen. Stiche erzielt man mit den vom Poker bekannten Kartenkombinationen wie gleichen Werten (Zwilling, Drilling,…), Full House, Straßen oder Flush. Die Übersichtskarte gibt die Reihenfolge der Wertigkeit an. Anschließend wettet jeder gegen die Ansage eines Mitspielers, bevor die Karten ausgespielt werden.

Spielsituation / Foto: Brettspielpoesie

Solange man im Besitz von Handkarten ist, muss mindestens eine Karte ausgespielt werden und jede Karte muss zu einer gültigen Kombination führen. Es ist also nicht erlaubt, die Handkarten wahllos auszulegen, um weitere Stiche in kommenden Runden zu vermeiden. Haben alle Spieler Karte(n) ausgespielt, erhält der Spieler mit der wertvollsten Kombination den Stich und legt ihn vor sich ab. Er beginnt die neue Stichrunde. Damit wird so lange weiter verfahren, bis kein Spieler mehr Karten auf der Hand hält. Sollte es einem Spieler gelingen drei Stiche direkt hintereinander zu erhalten, ist dies eine Keilerei und die aktuelle Runde endet sofort. Nur der Spieler, der die Keilerei begonnen hat erhält Punkte, alle anderen gehen in dieser Runde leer aus.

Wurde die Runde normal zu Ende gespielt, bis keiner mehr Handkarten hat, wird jeder Stich mit 10 Punkten belohnt. War die eigene Ansage korrekt, kommen 20 Punkte hinzu und der Spieler darf sich ein X auf dem Wertungszettel markieren. Dann schaut man auf den Spieler, gegen dessen Ansage man getippt hat und erhält weitere 20 Punkte, wenn die Anzahl von Stichen nicht exakt getroffen wurde. Der im Uhrzeigersinn nächste Spieler beginnt die neue Runde.

Spielende:

Im Normalfall endet die Partie nach der zehnten Runde mit der Schlusswertung. Die Punkte der einzelnen Runden werden für jeden Spieler addiert. Außerdem ermittelt jeder Spieler die längste Reihe korrekter Ansagen und multipliziert diese Rundenanzahl mit 10. Wer den höchsten Gesamtwert erzielen konnte, gewinnt die Partie.

Es gibt aber auch Sonderfälle: Sobald ein Spieler fünf Runden in Folge seine Ansage erreicht hat, kommt es zu einer Schießerei. Gelingt es diesem Spieler in der kommenden Runde erneut seine Ansage an Stichen zu erzielen, endet die Partie sofort mit seinem Sieg. Hat ein Spieler in der zehnten Runde zum fünften mal die angesagte Anzahl an Stichen erreicht, folgt eine elfte Partie, damit er die Chance hat auch die Schießerei zu gewinnen.

Spieleranzahl:

Half Pint Heroes kann mit bis zu sieben Spielern gespielt werden, ein großer Pluspunkt für größere Gruppen. Durch gelungene Anpassungen ist es selbst zu zweit spielbar, dennoch würde ich es erst ab vier Personen empfehlen. Zu zweit endet eine Runde sobald einer der beiden Spieler keine Karten mehr auf der Hand hat, sonst würde der andere Spieler ja immer alle folgenden Stiche gewinnen. Eine Wette zu platzieren ist zu zweit nicht zwingend erforderlich, wenn der Gegenspieler seine Ansage erreicht, erhält dieser nämlich die Punkte des Wettchips.

Glücksfaktor?

Natürlich ist es Zufall, welche Karten man auf die Hand bekommt und welche Karten in der Mitte ausliegen. Dabei ist es gar nicht immer so gut, wenn sich gute Kombinationen ergeben, die viele Karten erfordern, denn das minimiert die mögliche Anzahl von Stichen gesamt. Jeder Stich ist eben auch 10 Punkte wert. vielleicht kann man einen möglichen Full House auch einzeln als Drilling bzw. Zwilling spielen, um die Anzahl Stiche zu verdoppeln. Seine Ansagen zu erreichen ist natürlich trotzdem erstrebenswert. Die Spieler sollten immer darauf achten dem führenden Spieler Stiche wegzunehmen oder zuzuschustern damit es zu keiner Keilerei bzw. Schießerei kommt.

Fazit:

Stichspiele kennt man bereits, aber bei Half Pint Heroes fühlt sich vieles etwas anders an. Das Thema passt wie die Faust aufs Auge, und das bei einem Stichspiel! Wie kann so etwas überhaupt ein Thema haben? Die Szenerie ist eine Kneipe, bei gepflegten alkoholischen Getränken (dargestellt auf unseren Spielermarkern) spielen wir Kartenkombinationen aus, die an Poker erinnern. Auf diesen Karten sehen wir die anderen Gäste, vom Fußball-Rowdy, über erfolgreiche Spieleautoren bis zum Rock-Superstar sind sie alle dabei. Die Illustrationen sind einfach klasse und bieten viel zu entdecken. Und bei so vielen unterschiedlichen Personen auf einem Haufen, kann es schnell mal zur Keilerei kommen, wenn einer sich zu sehr über seine erfolgreichen Stiche freut. Bis einer sogar eine Schießerei beginnt! Und das alles mit ein paar Handkarten, aber der Spielverlauf und die Szenerie passen einfach zusammen. Für noch mehr Verschmelzung dieser beiden Welten, gibt es ganz offizielle Trinkspiel-Regeln :-D

Die Anlehnung an Poker-Blätter kann einerseits ansprechen, aber genauso abschrecken. In unseren Gruppen wollten Spieler nicht mitspielen, weil sie Poker nichts abgewinnen können. Passionierte Poker-Spieler hatten hingegen auch Spaß an Half Pint Heroes. Wer hierbei an einen Absacker denkt, wie so viele bekannte Stich-Spiele angelegt sind, liegt damit jedoch falsch. Eine Partie dauert eine gute Stunde, wenn sie über die volle Rundenzahl läuft. Was meist passiert, wenn auf die Mitspieler geachtet und alles getan wird, dass es nicht zu einer Schießerei kommt. Oder der Initiator diese zumindest nicht gewinnt. Die auf der Schachtel angegebenen 30 Minuten wurden in unseren Partien immer überschritten. Dabei fühlte es sich jedoch nicht danach an, dass sich das Spiel zieht. Man sollte aber wissen, worauf man sich einlässt.

Der Einstieg ist auch nicht ganz einfach, oft erklären sich die Zusammenhänge erst im Laufe der ersten Partie. Auch ohne korrekte Ansage jeden Stich zu belohnen ist aufmunternd für Spieler, denen die Stich-Ansagen nicht so gut liegen. Wenn man dazu noch passend gegen die Mitspieler tippt, kann das auch zu einer ordentlichen Summe an Siegpunkten führen. Aber so wird man niemals eine Schießerei anzetteln, was durchaus erstrebenswert ist. Mir gefällt ziemlich gut, wie hier ein bekanntes Spielprinzip genommen und aufbereitet wurde, um ein neues Spielgefühl zu erzielen.

Wertungsnote 5/6

Verlag: Corax Games
Autor(en): Johannes Goslar, Roland Goslar, Søren Schaffstein
Erscheinungsjahr: 2017
Spieleranzahl: 2 – 7 Spieler
Dauer: 30 Minuten

Vielen Dank an Corax Games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

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