Wie Vorfreude getrübt werden kann

Es klingelt an der Tür, ich springe vom Sofa auf und begrüße den Postboten überschwänglich an der Wohnungstür, um ihm das Paket zu entreißen. Er verlangt noch eine Unterschrift und verlässt mich mit den Worten “Bis bald!”, denn er weiß, er war sicher nicht das letzte Mal hier. Den Karton schnell aufgerissen, halte ich endlich ein neues Spiel in den Händen, kann die Folie entfernen und “entpöppeln”.

Ach, was wäre es schön, wenn es immer so laufen würde. Das tut es aber in den wenigsten Fällen. Mich beschleicht das Gefühl, dass der Postbote ganz genau weiß, wann ich zu Hause bin und an diesen Tagen vorsätzlich nicht erscheint. Eher läuft es darauf hinaus, dass ich nach Feierabend den Briefkasten aufschließe und hoffe, das dort ein Paketzettel drin liegt, der mir verrät welcher meiner Nachbarn das Paket in Empfang genommen hat. Im schlimmsten Fall waren auch sie nicht zu Hause und ich muss Termine jonglieren, um am Folgetag in der Mittagspause zur Post zu fahren.

Aber nun zum spannenden Teil: Das Spielmaterial wird genau begutachtet und in kleine Tüten sortiert, enthaltene Spielkarten auf Vollständigkeit geprüft. Vielleicht auch schon ein erster kurzer Blick auf die Anleitung geworfen und erste Eindrücke vermerkt. Im Falle unserer ersten Crowdfunding-Teilnahme Lignum stellte sich jedoch schnell die Ernüchterung ein. Crowdfunding-Projekte haben nämlich einen großen Nachteil gegenüber Neuheiten der großen Verlage. Die Zeit zwischen Kauf und Lieferung ist meist sehr lang, weil das Spiel ja erst produziert wird, wenn die Fördersumme erreicht wurde. Daher freut man sich umso mehr, wenn das Spiel endlich eintrifft. In Essen konnte man es schon begutachten, die Lieferung erfolgte in der Woche darauf. Doch was mussten wir feststellen? Die vier Spielertableaus fehlen :-( Kacke, denn ohne diese kann nicht gespielt werden. Beim genaueren Hinsehen fiel dann noch ein fehlerhaft bedruckter Schuldschein, Material-Unterschiede bei den Bonuskarten, fehlende Aufkleber und ein nicht ideal gestalteter Spielplan auf. Ich wage die Theorie, dass sich die Enttäuschung proportional zur Wartezeit verhält. Viele Schmiede ließen ihrem Unmut direkt auf der Projektseite der Spieleschmiede freien Lauf. Scheinbar sind wir nicht die einzigen mit fehlendem oder fehlerhaften Material. Was genau ist denn nun schief gelaufen?

Einige Schmiede stören sich an dem Zeitpunkt der Auslieferung, sie hätten es gerne vor Essen erhalten, denn sie haben die Produktion mit ihrem Geld erst ermöglicht. Aber mal ehrlich, in Essen gab es dieses Jahr über 1.000 Neuheiten, da findet sicherlich jeder etwas um die Zeit bis zur Lieferung von Lignum zu überwinden. Bei den Aufklebern hat sich Herr Mücke selbst ein Eigentor geschossen. In den News hat er ganz klar von ausreichend Aufklebern für beide Seiten der Meeples geschrieben und nun weiß er davon nix mehr. Diese können immerhin ganz unproblematisch per Mail angefordert werden, wir hatten Sie am Folgetag bereits im Briefkasten. Und was ist mit dem Spielplan passiert? Man kann davon ausgehen, dass der Großteil der Schmiede aus Deutschland kommt, denen wird aber nur die Rückseite des Spielplans gegönnt.

Durch erreichte Stretchgoals gab es zusätzliche Karten. Diese weisen ein anderes Material auf, als die normalen Spielkarten und bei einem von vier Schuldscheinen  fehlt ein Teil der Abbildung. Diese Punkte sind mit Sicherheit unglücklich, aber wären alle besser zu verschmerzen, als die nicht vorhandenen Spielertableaus. Diese fehlen scheinbar in einer kompletten Charge und ohne sie ist das Spiel nicht spielbar. Zwar wurden kurzfristig Dateien zum Ausdruck online gestellt, aber ich möchte nur mit dem originalen Material spielen. Der Nachdruck scheint aber noch zu dauern und die Tableaus aus Reservespielen bereits vergeben zu sein, viel liest man ja von der offiziellen Seite nicht mehr. Das ist generell der große Knackpunkt: Die Kommunikation. Es gab bisher keine Entschuldigung und der Verlag, in Person von Herrn Mücke, hat sich sehr unglücklich geäußert. Sicherlich kann weder die Spieleschmiede, noch Mücke Spiele direkt etwas für die mangelhafte Umsetzung, aber man sollte doch auf die Schmiede zugehen und gemeinsam Lösungen finden, die möglichst alle befriedigen. Die Beschreibung der bisherigen Kritikpunkte und ein Versuch diese Umstände zu erklären endete hingegen mit einem Nachsatz, indem aufgefordert wird, lieber die Meinungen über das Spiel kund zu tun. Dabei können viele der Schmiede Lignum noch gar nicht spielen. Der Nachsatz suggeriert viel mehr, dass Feedback zum Spiel doch viel wichtiger wäre, als die Missstände zu thematisieren und dass die Schmiede mit mangelhaften Exemplaren nicht ernst genommen werden. Seitdem ist vom Verleger nichts und von der Spieleschmiede kaum noch etwas zu lesen gewesen. Dabei hätte man die ganze Situation mit besserer Kommunikation und etwas mehr Einfühlungsvermögen und Kundennähe schnell entschärfen können.

Ich freue mich nach wie vor sehr auf die erste Partie Lignum und hoffe, dass das Spiel als solches halten kann, was es verspricht. Aber von Mücke Spiele und auch der Spieleschmiede bin ich momentan sehr enttäuscht. Hoffentlich ist das nur eine Ausnahme, aber es baut eine Blockade in mir auf, weitere Spiele zu schmieden. Habt ihr bereits Erfahrung mit Crowdfunding bei Brettspielen gemacht? Dann berichtet darüber in den Kommentaren, hoffentlich habt ihr auch Positives zu vermelden.

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7 Antworten auf „Wie Vorfreude getrübt werden kann“

Unter anderem wegen sowas sehe ich bis jetzt von Crowdfunding ab. Ich bin der festen Überzeugung: Gute Spiele schaffen es auch nach Deutschland ohne Crowdfunding, weil einer der großen Verlage es übernimmt (siehe Cool Mini or Not, Viticulture und viele andere). Für was also dieses Risiko eingehen? Für eine Menge Zusatzmaterial, welches das Spiel oft(!) nur aufbläht und für ein gutes Spiel gar nicht benötigt wird? Der einzige Grund wäre für mich besseres Material – also qualitativ – und da kann immer das passieren, was du hier beschreibst.

In der Kommunikation, ob mit Unterstützern oder generell, scheinen viele Verlage Probleme zu haben =/

Zu der Auslieferungszeit:
Es läuft halt manchmal echt doof, da hat man den Unterstützern einen Termin versprochen und dann dauert die Produktion länger als gedacht, oder bei in Taiwan/China produzierten spielen hängt der Container am Zoll fest. Dann ist auch schon Essen – die Spiele kommen an, man (der Verlag) hat aber keine Zeit mehr die Spiele an die Unterstützer zu verschicken (weil Essen-Vorbereitungen). Sich Essen als Verlag mit einem Spiel entgehen zu lassen, wäre aber auch mehr als doof. Also beisst man in den sauren Apfel und nimmt die Spiele mit nach Essen, wo sie reguläre Käufer vor den Unterstützern kaufen können. Shit happens, das ist das Risiko der Unterstützung. Gut, welcher Verlag dann wenigstens eine Liste der Unterstützer dabei hat und diese das Spiel in Essen abholen können.

Naja, Alex, ich finde, Deine Aussage muss man relativieren. Ich crowdfunde ja nicht nur, weil ich ein gutes Spiel haben will, sondern auch um Spiele-Erfinder zu unterstützen, weil ich die Idee für gut halte. Wenn dann allerdings dabei so etwas rauskommt, wie Brettspielpoetin beschrieben hat, darf man ruhig enttäuscht sein. Da müssen m. E. einige Hersteller/Erfinder noch lernen, dass Crowdfunding kein Geschenk ist, sondern auch eine Erwartungshaltung hat und ein Qualitätsversprechen enthält.

Wo hab ich gesagt, dass man nicht enttäuscht sein darf? Ich schrieb doch sogar davon, dass das halt ein Risiko ist. Und Crowdfunding und Unterstützung, das mag bei kleineren Projekten noch stimmen, unter anderem eben Lignum, aber bei Cool Mini or Not zum Beispiel ist das doch längst vorbei. Zombicide ließe sich locker auch ohne Crowdfunding produzieren^^

Vielen Dank für eure Kommentare. Ich gebe Alex Recht, das viele Spiele auch ohne Crowdfunding realisiert werden könnten. Siehe Queen Games, die anscheinend das Risiko einfach nicht mehr selbst tragen wollen und daher lieber Crowdfunding nutzen.
Für kleine Verlage wie zum Beispiel Mücke Spiele, die sich an umfangreichere Spiele heran trauen wollen, finde ich Crowdfunding gut und das unterstützte ich dann auch gerne. Mücke Spiele ist zudem ein deutscher Verlag, bei dem ich das Risiko gering einschätzte. Aber diese Förderung war sicherlich ein Dämpfer diesbezüglich.

Der Auslieferungstermin ist für mich auch nachvollziehbar mit Blick auf Essen. Zugesagt wurde lediglich eine Auslieferung im Oktober, das wurde zumindest bei uns eingehalten, wenn auch unvollständig :-/

Halli Hallo zusammen,

Also Crowdfunding für Brettspiele finde ich legitim und auch gut. Viele Spieleentwickler – auch wenn sie bereits einen Verlag für ihr Spiel gefunden haben – wollen mal gucken, ob das Spiel massentauglich ist.

Das beste Kickstarterprojekt fand ich weiterhin Exploding Kittens. Auch obwohl das Spiel an sich nicht so enorm Bombe ist, war das Projekt 1A.
1. Es übertrag jede Erwartung. 10.000$ oder so wollten sie und einige Millionen haben Sie bekommen.
2. Sie haben ein komplettes Spiel herausgebracht, ohne mit Milliarden StrechGoals erst den eigentlichen Wert des Spieles. Die StrechGoals waren ohne Inhalt und nur zum Spaß (z.B. dreht YouTube videos mit Ziegen… oder ähnlich)
3. Sie haben sehr gut kommuniziert.
4. Sie haben trotz plötzlicher Kapazitätserweiterung (statt 10.000$ mehrere Millionen) den Liefertermin international traumhaft eingehalten.
5. Jeder War über das geheime Gadget happy. Auch mir ist fast einer abgegangen :) Auch wenn es nur ne Kleinigkeit war.

Was ich bei Crowdfunding negativ finde:
– Trotz “Backing” statt kaufens zahlt man eigentlich ähnlich viel oder teilweise sogar mehr, als im Geschäft nach einiger Zeit.
– man kennt ein Spiel immer erst, wenn man es das erste mal spielt
– die manchmal hohen Verzögerungen, obwohl eigentlich schon alles klar sein sollte
– die StrechGoals. Es kommt mir so vor, als wenn man für 100$ ein Spiel kauft, was nur 20$ wert ist. und nur durch die “optionalen” strech goals kommt man vielleicht irgendwann auf 100$…
– Die optional Buys. Teilweise machen die Spiele nur Sinn, wenn man alles dazu kauft. Wo dann ein Spiel schon 300$ und mehr kosten kann. Und man weiß noch nicht, ob man die Katze im Sack kauft.

Positiv:
+ man kriegt es als (fast) erster
+ man sieht schon vorher mehr, als wenn man nur die verpackung sieht.
+ man kann den Spieleentwicklern zeigen, dass sie ein gutes Spiel geplant haben.
+ der Fokus der auf das Spiel gelegt wird ist größer, als wenn man es einfach so auf den Markt wirft. Oder habt ihr schon einmal etwas von einer Dominionerweiterung mitbekommen, OHNE dass ihr speziell danach gesucht habt? Das ist Werbung für lau. (auch wenn Kickstarter die 10% oder so bekommt. Aber die zahlt ja eh der Kunde)

Bisland habe ich mit KS noch nie schlechte Erfahrungen gemacht, was Brettspiele angeht. Andere Projekte sind natürlich schon blöd – aber ich backe ja nur, damit die Leute eine Chance haben, Ihren Traum mit meinem Geld zu verwirklichen. Wenn es am Ende nichts wird verstehe ich auch, wenn sie sich plötzlich nicht mehr melden. Ich könnte auch nur schwer den Satz schreiben “Danke für Eure tausende Euro, aber ich hab sie in den Sand gesetzt.”…

Ach ja :) Es gibt schlimmeres. Es ist ja nur Geld.

Lieben Gruß,
Andreas

Hallo Andreas,
vielen Dank für Deine ausführliche Darstellung. Das lässt mich hoffen und vielleicht ist Kickstarter doch eine gute Alternative. Dabei haben mich bisher jedoch meist die Versandkosten abgeschreckt.
Die Spielertableaus haben wir mittlerweile nachgeliefert bekommen, aber der fehlerhafte Schuldschein wurde nicht ersetzt und einfach kommentarlos auf dem Lieferschein gestrichen :-( Ich kann es ja auch nachvollziehen, wenn man sich nicht mehr meldet, wenn die Förderung nicht zustande kommt. Da dies hier aber der Fall war, würde ich mir doch mehr offizielle Meldungen zum Ablauf wünschen, gerade da viele Schmiede so unzufrieden sind. Das könnte die Wogen glätten, aber scheinbar ist das nicht gewollt.

Sicherlich ist nicht jedes Ergebnis über Crowdfunding toll, aber letztendlich ist und bleibt eine gute Finanzierungsalternative, die auch weiterhin genutzt werden sollte, denn dadurch konnten tatsächlich schon ganz tolle Projekte realisiert werden.

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