Tudor

Cover / Foto: Corax Games

 

Es war gefährlich Heinrich den Achten zu lieben,
nur wenige seiner Frauen wurden geschieden,
er folgte sein Leben lang nur seinen Trieben.
Ein Thronfolger musste her, das war klar,
ihm lange Zeit keine der Frauen einen gebar.
Doch mit Töchtern gab er sich nicht zufrieden,
lies seinen Frauen sogar Untreue unterschieben,
um frei zu sein und die nächste zu lieben.

 

Spielmaterial:

Was einem beim Blick auf das Spielmaterial von Tudor sofort ins Auge fällt, sind die Sichtschirme. Sie zeigen jeweils eine Hand mit fünf separaten Fingern, auf welche die Plastikringe in den sieben unterschiedlichen Farben gesteckt werden können. Das sieht optisch klasse aus, erweist sich in der Praxis leider als unvorteilhaft, da die Sichtschirme sehr dazu neigen, umzufallen. Vor allem, umso mehr Ringe auf die Finger gesteckt werden. Die Ringe selbst sind aus Plastik und müssen vor der ersten Partie mit Aufklebern versehen werden. Damit sind sie durch ihre Farbe und das aufgeklebte Symbol zu unterscheiden. Die gleichen Farben und Symbole finden sich auch auf den Karten und den Plättchen wieder. Die Ringe sind nicht geschlossen, dadurch kann sie jeder auch wirklich am Finger tragen, ihre Verarbeitung ist jedoch nicht ganz sauber und eben. Zur Aufbewahrung liegt ein Pappaufsteller dem Spielmaterial bei.

In vier Spielerfarben gibt es jede Menge Höflinge (kleine Meeple), eine Lordspielfigur und einen Marker für die Siegpunktleiste. Diese läuft um den Spielplan herum, welcher zweiseitig bedruckt ist. Bestückt wird dieser vor jeder Partie mit den runden Intrigen- und Einflussmarkern und den Staatskunstplättchen, die immer zufällig aus dem Beutel gezogen werden. Die Grundregeln für jede Partie legen die zusätzlichen Wertungs- und Situationskarten fest.

Spielmechanismus:

Die Spieler wollen mit ihren Familienmitgliedern die Karriereleiter besteigen und die höchsten Ämter unter dem König besetzen. Die Höflinge werden dafür zur Audienz entsendet, doch werden nur die Personen angehört, zu denen sich ein Lord gesellt. Nur dann dürfen auch die Aktionen des Ortes ausgeführt werden. Haben die SPieler unterschiedlich viele Aktionen, stehen schwächere Ausweichaktionen zur Verfügung. Natürlich bieten die Räume nur begrenzt Platz, sodass im späteren Spielverlauf auch Höflinge verdrängt werden. Je nach Vorgabe der Situationskarte werden pro Runde 0 – 2 Höflinge in den Audienzsälen platziert. Jeder Saal bietet zwei Aktionsmöglichkeiten, ein Lord führt beide aus, ein Höfling muss sich entscheiden. Die Aktionen ermöglichen es Ringe zu tauschen, Karten zu erhalten und sich auf dem Spielplan zu bewegen, indem Karten abgelegt werden. Darüber sammeln die Spieler die Staatskunstplättchen und Einfluss- oder Intrigenmarker. Wenn sie ein Amt besetzen, gibt es als Belohnung einen neuen Ring dazu. Je nachdem an welche Positionen der Hand die Ringe gesteckt werden, verstärkt dies bestimmte Aktionen. Daher dürfen bei einer Veränderung der Anzahl Ringe auch immer ihre Positionen geändert werden.

Spielsituation / Foto: Brettspielpoesie

Das ist so weit zunächst nichts weltbewegend Neues, interessant wird das Spiel durch die unterschiedlichen Wertungs- und Situationskarten, die das Spielgefühl mächtig durchrütteln. Mal gibt es nur eine große Wertung zum Ende der Partie, mal findet am Ende jeder Runde eine Auswertung statt. Die Intrige- und Einflussmarker können in jeder Partie auf andere Weise eingesetzt werden. Ein Amt wird nur so lange besetzt, bis ein anderer Spieler den obersten Punkt einer Karriereleiter erreicht. Dann muss der Spieler, dessen Familienmitglied ersetzt wurde, auch einen Ring an den neuen Amtsinhaber abgeben.

Spielsituation / Foto: Brettspielpoesie

Spielende:

Wie viele Runden gespielt werden, gibt die Situationskarte vor. Die Wertungskarten geben vor, ob es Zwischenwertungen und/oder eine Endwertung gibt. Es folgt in jedem Fall eine letzte Wertung, wer die meisten Karten, Intrigen- und Einflussmarker übrig hat.

Spieleranzahl:

Das Spiel skaliert gut, Ringe und Plätze in den Audienzsälen werden limitiert, für zwei Spieler gibt es eine spezielle Spielplanseite mit weniger Ämtern. Die Rundenanzahl wird über die Spielerzahl festgelegt. Das funktioniert alles wunderbar, mir gefällt das Spielgefühl bei vier Spielern allerdings am besten. Zu zweit ist es ein ganz schöner “Mindfuck”, weil ein Audienzsaal jede Runde frei bleibt, sodass versucht wird zu erahnen, was der Gegenspieler planen könnte. Der reduzierte Spielplan ist ein gutes Mittel, aber ab drei Spielern ist einfach mehr los auf dem Brett und die Ämter wechseln häufiger den Inhaber. Zu dritt passt allerdings das Sprichwort “wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte” ganz gut. Da kann es schnell passieren, dass sich zwei Spieler aufeinander einschießen und dem anderen Mitspieler völlig freier Lauf gelassen wird.

Glücksfaktor?

Die Verteilung der Staatskunstplättchen ist zufällig und unterliegt damit natürlich einem gewissen Glücksfaktor. Insbesondere in Partien, in denen eine Staatskunst zu Punktabzug führt, aber auch wenn es darum geht gleichartige oder unterschiedliche Sets zu sammeln. Wenn dann nicht die richtigen Plättchen in der Auslage liegen, ist das unglücklich. Grundsätzlich sind aber alle Spielinformationen offen, sammeln dürfen die Spieler ihre Errungenschaften allerdings hinter ihren Sichtschirmen, vor den Augen der Mitspieler verborgen. Da hilft es gut aufzupassen, um die Aktionen der Mitspieler ein wenig vorhersehen zu können.

Fazit:

Tudor ist ein sehr wandelbares Spiel, wodurch ein großer Wiederspielreiz entsteht. Durch die Wertungs- und Situationskarten sowie deren Kombination pro Partie liegt der Fokus mal auf Set Collection, mal wird es zu einem Mehrheitenspiel, es kann dabei mehr oder weniger konfrontativ werden. Die Platzierung der Lords führt zu interessanten Entscheidungen, so kann es lukrativ sein auf eigene Aktionen zu verzichten, wenn man den Mitspielern damit viel mehr schadet. Der Spielverlauf selbst, mit den verschiedenen Aktionsmöglichkeiten, erscheint nicht sonderlich innovativ. Doch die unterschiedlichen Wertungen und Optionen für die Einfluss- und Intrigenmarker machen den Reiz aus. Genau genommen ist es ein ziemlich abstraktes Spiel, welches eine wunderbare thematische Einbettung erhalten hat. Anhand des Themas lassen sich viele Spieloptionen wunderbar erklären. Der Rundenmarker, der über die Portraits der Frauen des Königs und den Zeitpunkt der Eheschließung verläuft, mag etwas makaber erscheinen, fängt das Thema aber perfekt ein. Die Spielzeit ist gut gewählt, das Ende kommt meist viel zu früh, aber länger würde es sicher nicht tragen, da man pro Partie doch immer nur die selben Aktionen ausführt.

Was mich tatsächlich stört, sind die Sichtschirme der Spieler. So schön es auf dem Tisch auch aussieht, so nervig ist die Handhabung. Ich durfte schon Partien mit verschiedenen Prototypen spielen, da waren die Sichtschirme irgendwie standfester. Nun fallen sie regelmäßig um, wenn sie nicht dauerhaft fest gehalten werden. Und das ist bei einem Spiel, bei dem man seine Errungenschaften so gut wie möglich geheim halten möchte, sehr unvorteilhaft. Schließlich geht es hier um Intrigen und geheime Machenschaften. Auch die Boni für die Platzierung der Ringe an den Fingern ist auf die Innenseiten der Sichtschirme gedruckt. Dies lässt je nach Winkel oft nur schlecht erkennen und es werden hin und wieder einige Verrenkungen notwendig, um zu erkennen, welche Optionen freigeschaltet wurden. Die Partien waren bisher aber immer interessant genug, sodass ich das nervige Handling der Sichtschirme in Kauf nehme, um das Spiel immer wieder zu erleben.

Sichtschirm / Foto: Brettspielpoesie

Wertungsnote 5/6

Verlag: Corax Games
Autor(en): Jan Kirschner
Erscheinungsjahr: 2018
Spieleranzahl: 2 – 4 Spieler
Dauer: 20 Minuten pro Spieler

Vielen Dank an Corax Games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

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