Brazil Imperial

Die “Neue Welt” sich vor uns erstreckt,
sie wird im Spiel von uns entdeckt.
Dort befindliche Ressourcen helfen dabei,
in der Partie entstehen zu lassen allerlei.
Erst Gebäude, dann ganze Städte,
wenn man diese nicht verteidigen täte,
könnten die anderen sie übernehmen,
wodurch bei Spielende Siegpunkte fehlen.

Spielmaterial:

Das Spielmaterial von Brazil Imperial ist sehr vielseitig. Der Spielplan setzt sich aus verschieden geformten Gelände- und Wasserteilen zusammen. Zusätzlich bietet ein kleines Tableau Ablageflächen für einen Teil der im Spiel verwendeten Karten und Plättchen. Die sechs verschiedenen Ressourcen werden durch Holzmarker repräsentiert, die zusammen mit den Plättchen in einem eigens dafür angefertigtem Plastiktray verstaut werden können.

Brazil Imperial Tray
Brazil Imperial – Tray / Foto: Brettspielpoesie

In jeder der vier Spielerfarben gibt es ein Tableau mit passenden Ablageflächen für allerlei hölzernes Spielmaterial. Wie z.B. die militärischen Einheiten, die sich bei den Spielerfarben unterscheiden, wohingegen alle Paläste, Produkte und Aktionsmarker identisch geformt sind. Doppelseitig unterschiedliche Charaktere je Farbe mit einer Bonusfähigkeit ergänzen die Tableaus. Wer grün und damit die titelgebende Nation Brasilien verkörpert, darf sogar aus vier Charakteren wählen.

Brazil Imperial Einheiten
Brazil Imperial – Einheiten / Foto: Brettspielpoesie

Spielmechanismus:

Bei Brazil Imperial erkunden wir das vor uns liegende Gelände, um dessen Ressourcen zu nutzen, uns mit Gebäuden und Städten darauf auszubreiten und es im Zweifelsfall auch gegen Eindringlinge zu verteidigen. Also alles, was man von einem 4x-Spiel erwarten würde, jedoch in einem klassischen Gewand eine Eurospiels.

Brazil Imperial - 4 Spieler
Brazil Imperial – 4 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Dieses ist verglichen mit anderen Spielen seiner Art aber relativ einfach zu händeln. Es stehen zwar gleich sieben verschiedene Aktionen zur Verfügung, diese sind allerdings leicht zu verstehen. Meistens fallen Kosten an, um einen Ertrag zu erhalten (neue Einheiten, Gemälde, Gebäude oder Produktmarker). Eingesetzte Produktmarker geben einen Bonus auf die jeweilige Aktion. Die Aktionen Hafen und Markt ermöglichen es direkt Ressourcen bzw. Goldkarten zu erhalten oder diese einzutauschen. Eingetauschte Waren kommen auf den Spielertableaus unter, dort ist der Platz jedoch begrenzt. Produzierte Ressourcen verbleiben sonst nämlich direkt auf den Gebäuden und können von dort ausgegeben werden. Goldkarten lassen sich verwenden wie Gold, bieten stattdessen aber auch Zusatzaktionen oder bringen sogar zusätzliche Wertungen bei Spielende ein, wenn die Karte dann noch im eigenen Besitz ist.

Lediglich die Aktion “Erneuern” ist etwas komplizierter, da sie nicht nur neue Ressourcen auf leeren Gebäuden generiert, sondern man das Gebäudeplättchen zuvor sogar wenden darf. So können mit geringen Kosten einfache Gebäude errichtet werden, um sie später wertvollere Ressourcen generieren zu lassen. Doch das kostet Zeit. Denn der Aktionsmarker blockiert die zuvor gewählte Aktion, sodass man danach eine andere wählen muss.

Brazil Imperial - Tableau
Brazil Imperial – Tableau / Foto: Brettspielpoesie

Und Zeit hat man bei Brazil Imperial nur begrenzt. Genau genommen, ist es nämlich auch ein Wettlauf. Für drei Epochen bekommen die Spieler jeweils Aufgabenkarten mit persönlichen Zielen. Sobald jemand die erste Karte einer Epoche erfüllt, wechseln alle Spieler in die nächste bzw. beenden die Partie. Zusätzlich wechselt dabei der Aktionsmarker, mit dem man seine Aktionen auswählt. Dieser sorgt grundsätzlich dafür, dass keine Aktion mehrfach hintereinander ausführbar ist. Beim Epochenwechsel weist man den vorherigen Marker einer Aktion zu, die man für das weitere Spiel mit dem angegebenen Bonus erweitert. Manche Gebäude oder auch die Städte lassen sich erst in späteren Epochen errichten.

Brazil Imperial Duell
Brazil Imperial – Duell / Foto: Brettspielpoesie

Nach der einen Aktion pro Zug hat man die Möglichkeit eigene Einheiten über den Spielplan zu bewegen. Trifft man dabei auf fremde Einheiten, kommt es zu einem Kampf, bei dem die Kampfstärke der dort befindlichen Truppen verglichen werden. Zusätzlich bekommen Angreifer und Verteidiger die Möglichkeit diese Werte durch Kampfkarten anzupassen oder anderen Einfluss auf den Ausgang des Kampfes zu verüben. Durch diese Unwägbarkeiten ist der Ausgang eines Kampfes nie komplett vorhersehbar.

Brazil Imperial 3 Spieler
Brazil Imperial – 3 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Spielende:

Das variable Spielende tritt ein, sobald der erste Spieler seine Aufgabenkarte der Epoche III vollständig erfüllt hat und dies bekannt gibt. Die laufende Runde wird ggf. noch beendet, bevor es zur abschließenden Wertung kommt. Bei dieser können die anderen Spieler zusätzlich zu den Punkten ihrer erfüllten Epochenkarten auch Punkte für einzelne erfüllte Aufgaben der Epoche III erhalten. Zudem gibt es Punkte für den Fortschritt auf den eigenen Tableaus, ggf. für Karten und Entdeckungsplättchen sowie für derzeit kontrollierte Gebäude und Städte auf dem Spielplan. Wer insgesamt die meisten Punkte sammeln konnte, gewinnt die Partie.

Spieleranzahl:

Der Spielplan setzt sich modular aus verschiedenen kleinen Landschaftsteile zusammen. Die Spielanleitung liefert neun unterschiedliche Anordnungen für verschiedene Spielerzahlen und mit unterschiedlichem Konfliktpotenzial. Daher spielt es sich in meinen Augen mit jeder Spielerzahl gut. Man kann sich komplett aus dem Weg gehen oder auch gezielt einander angreifen. Da das reine Ausheben einer Einheit bereits mit Siegpunkten belohnt wird, kann man sich nie sicher sein, was die anderen mit ihren Einheiten planen. Ich mag diese Ungewissheit bei ständig drohendem Konfliktpotential.

Glücksfaktor?

Viele Informationen sind in Brazil Imperial den Spielertableaus zu entnehmen, diese sind von allen einsehbar. Die vielen Karten und auch die Städte mit den für ihren Bau angegeben Ressourcen kommen zufällig ins Spiel, sie können sich gegenseitig ergänzen oder gegenläufig sein. Da die Kampf- und Goldkarten alle positive Effekte mit sich bringen, ist keine davon wirklich schlecht, vielleicht mal gerade zeitlich unpassend.

Bei den Aufgabenkarten sieht es schon etwas anders aus. Ergänzen sich diese kann dies einem den nötigen zeitlichen Vorsprung verschaffen, das Spiel frühzeitig zu beenden. Genauso kann es frustrieren, wenn man an allen Ecken und Enden gleichzeitig agieren muss, um die Aufgaben zu erfüllen.

Die Entdeckungsplättchen verbergen sicherlich den größten Glücksfaktor in Brazil Imperial. Sie liegen zufällig aus und bieten ganz unterschiedliche Effekte, von denen man direkt oder erst später profitieren kann. Das trifft in meinen Augen jedoch genau den Kern des Entdeckens. Man weiß zuvor nicht, was einen erwartet, man kann sich auf das “Risiko” einlassen oder es ignorieren. Wobei in diesem Fall kein wirkliches Risiko entsteht, man entdeckt einfach einen mehr oder weniger sinnvollen Bonus für sich selbst oder auch die anderen.

Meinung:

Das verschieden geformte Holzmaterial und die dicken Pappelemente lassen das Spielmaterial hochwertig wirken. Einzig bei den einzelnen Wasserplättchen kann man sich daran stören, dass sie kleiner als die anderen Spielplanfelder sind. Sie haben dieselbe Größe wie die Städte und Produktionsstätten, die vermutlich bewusst etwas kleiner als die einzelnen Spielplanfelder sind. Leider reißen die einzelnen Wasserfelder kleine Löcher in den aus verschiedenen Einzelteilen zusammensetzbaren Spielplan, was optisch einfach nicht schön aussieht. Das beiliegende Tiefziehteil mit Abdeckung eignet sich gut dafür das Spielmaterial darin zu verstauen, im Spiel selbst ist es jedoch nicht sinnvoll verwendbar, da die einzelnen Fächer klein und eng sind. Das Regelwerk erschwert den Einstieg in Brazil Imperial, doch nach einer Lernpartie beginnt es dann ganz gut zu “flutschen”.

Brazil Imperial fordert dazu auf, mit unterschiedlichen Spielerfarben zu spielen, da jedes Volk eigene Kosten und die zugehörigen Charaktere unterschiedliche Fähigkeiten haben. Ich mag die Abwechslung, aber ich hasse es mich ständig an neue Farben zu gewöhnen, denn meist greift man dann doch zu der häufig verwendeten. Mir erschließt sich mechanisch auch gar nicht, warum nur eine Spielerfarbe die Option bekommt, aus vier verschiedenen Charakteren wählen zu dürfen. Das fühlt sich ungerecht an. Ob alle Charaktere ausgeglichen sind, mag ich nicht zu beurteilen. Ich habe schon Siege verschiedenster Charaktere erlebt. Manche haben vermeintlich stärkere oder schwächere Bonuseffekte, dafür sind Kosten für Einheiten oder Produkte dann aber günstiger.

Thematisch ist Brazil Imperial sicherlich kritisch zu betrachten, da es um Kolonialisierung geht, ohne diese Thematik im Spiel aufzuarbeiten. Im Vorwort der Anleitung wird erwähnt, dass man den Kolonialismus weder verharmlosen noch verherrlichen möchte. Man beruft sich darauf, dass die Entwickler des Spiel selbst Brasilianer sind und man für die deutschsprachige Ausgabe noch kleine Anpassungen vorgenommen hat, um die teilweise recht patriotische Perspektive abzumildern.

Für mich steht das Spiel und seine Mechanismen im Vordergrund. Und diese gefallen mir bei Brazil Imperial richtig gut. Ich mag es die vielen kleinen Aktionen gekonnt aufeinander folgen zu lassen, um möglichst effizient die mir gestellten Aufgaben zu erfüllen. Diese passen zwar nicht immer ideal zueinander, dennoch überwiegt bei mir das positive Spielgefühl, mit jeder Aktion meinen Zielen ein wenig näher zu kommen. Alle Aktionen haben einen positiven Mehrwert. Man verbessert z.B. die Aktionen, bekommt Ressourcen für mehr Optionen bei folgenden Aktionen oder erhält sogar einen direkten Bonus durch die Gemäldekarten. Die Auftragskarten bieten einen guten Leitfaden, auf was man sich konzentrieren sollte. Das eigene Territorium vergrößert sich ganz dabei ganz automatisch, der Fortschritt zeigt sich direkt optisch auf dem Spielfeld. Nicht nur bei einem selbst, sondern auch bei den anderen.

Kommen mir diese mit ihren Einheiten zu nahe, könnten sie es auf mich abgesehen haben. Oder aber auch nicht und genau diese Ungewissheit finde ich spannend. Selbst wenn es zu einem Kampf kommt und man zur unterlegenen Seite gehört, so ist der Verlust zu verkraften. Die Einheit kostet mich bei einem späteren Einsatz keine Ressourcen mehr, dafür aber die Rekrutierungsaktion. Und das kann die effiziente Abfolge der Aktionen stören. Zudem stehen die Ressourcen eines Feldes dem Mitspieler zur Verfügung, solange dieser es kontrolliert. Immerhin sind die Arbeiter loyal und produzieren nicht mehr für den Eroberer.

Fazit:

Brazil Imperial überzeugt als Zivilisationsaufbauspiel durch seine Kurzweiligkeit, die durch die kleinen, schnellen Aktionen erreicht wird. Alle bauen sich etwas auf, sehen ihren Fortschritt am Spielfeld und erhalten durch das Erfüllen der Aufträge immer wieder kleine Erfolgserlebnisse. Ich mag das auf den Kernmechanismus reduzierte Spielprinzip, mit dem Kampf als optionalem Begleiter, was eine Drohkulisse aufbaut, aber keinen Spieler frühzeitig aus dem Spiel nimmt.

Wertungsnote 5/6

Verlag: Giant Roc
Autor(en): Zé Mendes
Erscheinungsjahr: 2021
Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
Dauer: 120 Minuten

Vielen Dank an Giant Roc für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!

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