Carcassonne ist das Paradebeispiel für ein zugängliches Plättchenlegespiel. Das galt in meinen Augen auch schon, als die Bauernwertung noch keine optionale Variante für erfahrene Spieler war. Das Spielprinzip ist ganz einfach: Ein Plättchen aufdecken und passend anlegen. Dabei müssen Landschaften fortgesetzt werden. Eine Regel, die nicht nur optisch ansprechend, sondern auch einfach wirklich intuitiv ist. Das Spielprinzip ist einfach und doch offenbart Carcassonne viele Möglichkeiten. Besonders zu zweit lässt es sich auch knallhart gegeneinander spielen. Nach vielen Erweiterungen und Spin-Offs dauerte es offenbar über zwanzig Jahre bis der Autor auf die Idee kam, daraus eine kooperative Variante zu machen. Kooperative Plättchenlegespiele gibt es noch nicht viele, umso überraschender ist es, dass zeitgleich auch Michael Palm und Lukas Zach auf eine solche Idee kamen. Aus ihrem Prototypen entstand Dorfromantik – Das Brettspiel, ein kooperatives Plättchenlegespiel zum erfolgreichen Videospiel. Ich möchte euch in diesem Beitrag beide Spiele etwas näher bringen.
Nebel über Carcassonne
In Nebel über Carcassonne zieht Nebel über die Wiesen und Straßen und bringt die angegebene Anzahl an Geistern ans Tageslicht. Es sei denn ein bereits gelegtes Nebelfeld wird erweitert, dann kommt ein Geist weniger hinzu. Ist ein Nebelgebiet abgeschlossen, gelangen alle Geister darin zurück in den Vorrat. Nebel darf auch an Wiesen oder Straßen ohne Nebel platziert werden, doch damit beraubt man sich der Möglichkeit dieses Gebiet jemals abzuschließen und die Geister zurückzuerhalten. Das Abschließen eines Gebiets wird ausgewertet, bevor neu Geister platziert werden müssen. Das kann entscheidend sein, denn gibt es nicht mehr ausreichend Geister im Vorrat, verlieren die Spieler.
Pro Spielerfarbe gibt es fünf Meeple. Im Spiel zu zweit erhält jeder drei Meeple von zwei Farben und solo spielt man mit jeweils drei Meeples vier verschiedener Farben. Werden Straßen oder Städte mit Meeples darin abgeschlossen, gibt es Punkte in gewohnter Weise – jedoch für alle Spieler als Team. Die Bauernwertung existiert bei dieser Version nicht. Anstatt die Punkte für den Abschluss eines Gebiets einzustreichen, kann der aktive Spieler auch entscheiden bis zu drei Geister von genau einem Feld zu entfernen.
Um zu gewinnen ist je nach Level ein bestimmter Punktwert zu erreichen, bevor die Plättchen ausgehen oder die Geister ausgehen. In späteren Leveln unterteilen sich die Plättchen in verschiedene Stapel und es gibt Vorgaben, wie viele Punkte mindestens erreicht sein müssen, wenn der neue Stapel ins Spiel kommt. Auch Friedhöfe und Schlösser kommen in späteren Leveln dazu. Sie bringen neue Detailregeln mit, die sich in späteren Leveln ebenfalls nochmals verändern. Der Schwierigkeitsgrad steigt mit jedem der sechs enthaltenen Level weiter an.
Die Plättchen dieser Erweiterung lassen sich auch als Erweiterung in kompetitiven Carcassonne-Partien einsetzen. Dann können sich die Spieler mit den Geistern gegenseitig ärgern.
Meinung
Ich konnte es mir zunächst überhaupt nicht vorstellen, wie man Carcassonne kooperativ spielen soll. Doch ich wurde positiv überrascht. Es fühlt sich richtig gut an, als hätte es schon immer genau so sein sollen. Ein zuvor destruktives Element, sich in Gebiete anderer Spieler “reinzuzecken”, um ebenfalls abzusahnen, wurde umgedreht und ist nun ein probates Mittel die Punkte zu vervielfachen.
Die Ausbreitung der Geister kann schnell sehr anstrengend werden. Geister sind stark limitiert, daher sollte man sie möglichst schnell wieder vom Plan entfernen. Auch wenn das Spielziel ein bestimmter Punktwert ist, kann es daher hilfreich sein, bei der Wertung kleiner Gebiete auf die Punkte zu verzichten, um sich einiger Geister zu entledigen. Bei größeren Gebieten lohnt es sich, dafür zu sorgen diese gemeinsam zu besetzen, um die Punkte dafür mehrfach zu erhalten. Wie auch schon beim Grundspiel ist dies nur möglich, wenn bereits besetzte Gebiete zu einem verschmelzen.
Eine Partie Nebel über Carcassonne zu gewinnen ist wahrlich kein Kinderspiel, sondern eine durchaus anspruchsvolle Herausforderung, auf jeden Fall in den höheren Leveln. Doch ich mag es, wenn ein kooperatives Spiel sich nicht automatisch gewinnen lässt und eine interessante Aufgabe daraus entsteht, das Spielziel zu erreichen. Auch wenn es frustrieren kann, wenn die Plättchen einfach sehr unglücklich aufeinander folgen und einem kaum eine Chance lassen.
Fazit
Carcassonne mit dieser Version kooperativ zu spielen ist eine völlig neue Erfahrung, die mich wirklich begeistert hat. Einerseits ist alles irgendwie bekannt, fühlt sich gleichzeitig aber auch neuartig an. Für das erste Level haben erfahrenen Carcassonne-Spieler sicherlich nicht mehr als ein müdes Lächeln über, aber es kommen mit jedem Level interessante Steigerungen hinzu. Bis hin zu einem kaum erreichbaren Höhepunkt.
Verlag: Hans im Glück Verlag / Vertrieb: Asmodee
Autor(en): Klaus-Jürgen Wrede
Erscheinungsjahr: 2022
Spieleranzahl: 1 – 5 Spieler
Dauer: ca. 35 Minuten
Dorfromantik – Das Brettspiel
Dorfromantik – Das Brettspiel bietet exakt das, was der vordere Teil des Titels verspricht: Es ist ein absolut friedliches Wohlfühlspiel in ländlicher Idylle. Und es handelt sich um das Brettspiel zum erfolgreichen Videospiel vom deutschen Entwicklerstudio Toukana Interactive. Man zieht dabei einfach nacheinander jeweils ein Plättchen und legt es an die Landschaft an. Es müssen bloß Eisenbahnschienen und Flüsse zwingend passend fortgesetzt werden. Sobald alle Landschaftsplättchen platziert sind, endet eine Partie. Es gibt keine Siegbedingungen und entsprechend auch keine Möglichkeit der Niederlage. Dafür gibt es einen Kampagnenmodus.
Zu diesem Zweck gibt es auch Punkte zu erreichen. Neben den Landschaftsplättchen existieren Auftragsplättchen, die eine von fünf Auftragsarten zeigen: Wald, Getreide, Dorf, Gleis oder Fluss. Zusätzlich zieht man ein passendes Plättchen mit einem Wert. Ein Waldauftrag mit Wert fünf ist beispielsweise erfüllt, wenn sich der Auftragsmarker in einem Wald befindet, welcher sich über exakt fünf Plättchen erstreckt. Von solchen Aufträgen sind immer drei aktiv. Nach Erfüllung zieht man als nächstes neue Auftragsplättchen (wenn noch verfügbar) und erst wenn wieder drei davon ausliegen, geht es mit Landschaften weiter.
Zusätzlich gibt es noch weitere Siegpunktquellen. Abgeschlossene Gebiete mit Fahnen geben ein Punkt für jedes Plättchen, welches einen Teil des Gebiets enthält. Zusätzlich bringt der längste, zusammenhängende Fluss bzw. Bahnstrecke einen Punkt pro Plättchen. Und dabei kann man immer wieder versuchen sich selbst zu übertrumpfen.
Die Anzahl der gesammelten Punkte wird auf dem Kampagnenblatt notiert und bestimmt, wie viele Kreise des Fortschrittsbaums auf dem Kampagnenblatt angekreuzt werden dürfen. Darüber lassen sich Erfolge freischalten, die weitere Karten, zusätzliches Spielmaterial und Regeldetails mit sich bringen. Manches Material muss erst noch durch das Erfüllen einer Aufgabe freigespielt werden, bevor es im Spiel zum Einsatz kommt.
Meinung
Ich bin kein eifriger Video-Spieler, doch der Hype um Dorfromantik ist auch an mir nicht komplett vorüber gegangen. Das Brettspiel schafft es hervorragend, das Spielprinzip des Videospiels auf ein Brettspiel zu übertragen. Durch den kooperativen Ansatz ist ein gemeinsames Spielen ohne Konkurrenzkampf möglich, das wohlige Spielgefühl bleibt erhalten. Man erfährt immer wieder kleine Erfolgsmomente durch das dauerhafte Erfüllen von Aufträgen. Und wenn dann ausreichend Punkte zu weiterem Spielmaterial führen, ist das ein weiterer Triumph.
Auch die Neugier wird befriedigt, zu erleben, was noch alles in diesem Spiel steckt. Das sorgt für einen gewissen Sog, der einen immer noch eine weitere Partie spielen lässt. Das neue Material macht Dorfromantik nicht wirklich komplexer, es bietet einfach zusätzliche Möglichkeiten Punkte zu sammeln und den Highscore zu verbessern. Es wird möglicherweise etwas grübellastiger, wenn man alle Siegpunktquellen möglichst gut ausnutzen möchte. Dabei spielt auch die zufällige Reihenfolge der Plättchen eine wichtige Rolle, da der Zeitpunkt ihres Austauchens durchaus entscheidend sein kann. Für mich als Vielspieler fehlte es leider auf Dauer ein wenig an Varianz. Nicht alles, was sich freischalten lässt, ist komplett neu. Häufig sind es einfach Varianten anderer freizuschaltender Elemente. Da kann ich nur hoffen, dass schon bald Erweiterungen erscheinen, die wirklich überraschende neue Effekte hinzufügen ;-)
Der Zufallsfaktor kann schon etwas frustrieren. Wenn die ersten gezogenen Plättchen sich einfach überhaupt nicht ergänzen, die ersten Aufträge lange nicht erfüllbar sind, scheint es schnell ausweglos die Partie mit einem guten Ergebnis zu beenden oder gar etwas freizuspielen. Da würde ich am PC schnell einfach neustarten, was beim Brettspiel jedoch Aufwand bedeutet. Und leider sieht man den Plättchen die Benutzung auch recht schnell an. Vielleicht haben wir nur ein Montagsexemplar erhalten, aber viele Ecken der Plättchen sind nach wenigen Partien bereits angestoßen, die oberste Schicht löst sich, obwohl wir versuchen beim Mischen sehr pfleglich damit umzugehen. Gerade im direkten Vergleich wirkt das Material bei Carcassonne viel langlebiger, wo man die Plättchen ebenfalls vor jede Partie gut durchmischen sollte.
Wir, als Vielspieler und immer darum bemüht effizient zu spielen und schnell alles freizuschalten, haben bereits über ein Dutzend Partien für die gesamte Kampagne benötigt. Danach war die Luft erst einmal raus und es kamen wieder andere Spiele auf den Tisch. Weniger erfahrene Spieler oder solche, die lieber gemütlich ohne Druck spielen, haben sicherlich noch viel länger etwas von einer Kampagne. Auch wenn alles freigeschaltet ist, kann man natürlich noch weiter um spezielle Punkterekorde spielen.
Fazit
In meinen Augen ist Dorfromantik ein rundum gelungenes Spiel. Es versprüht absolut vollkommene Wohlfühl-Atmosphäre, fordert die Spieler mit seinen Aufgaben aber auch heraus. Dabei ist es ganz egal, ob man viele gemütliche Partien benötigt, um alles freizuschalten oder auf Effizienz und Tempo spielt. Jeder so, wie es ihm beliebt. Für mich ist Dorfromantik jetzt schon ein heißer Kandidat dafür, auf der Nominierungsliste zum Spiel des Jahres 2023 zu landen.
Verlag: Pegasus Spiele
Autor(en): Michael Palm, Lukas Zach
Erscheinungsjahr: 2022
Spieleranzahl: 1 – 6 Spieler
Dauer: 30 – 60 Minuten
Vielen Dank an Pegasus Spiele für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
Vergleich
Eines haben beide Spiele gemeinsam: Es gibt keine Vorkehrungen gegen einen Alphaspieler. Alle Informationen sind offen und ein Spieler könnte die Entscheidungen der Gruppe an sich reißen und die Mitspieler führen. Beide Spiele sind daher auch problemlos solo spielbar, dann spielt man einfach ganz für sich alleine ohne die Möglichkeit sich mit anderen abzustimmen.
Im direkten Vergleich ist Dorfromantik das zugänglichere Spiel, was die Spieler zumeist mit einem positiven Gefühl zurück lässt. Man kann in jeder Partie eine einzigartige Landschaft entstehen lassen und mit etwas Geschick und einer Prise Glück neue Erfolge freischalten. Die Regeln sind denkbar einfach und leicht zu verstehen. Lediglich die Regel, dass Äcker, Wälder und Dörfer nicht passend angelegt werden müssen, kann anfangs irritieren, da bei anderen Spielen immer alles korrekt aneinander anliegen muss.
Aus Carcassonne macht die kooperative Variante Nebel über Carcassonne einen harten Brocken. Ich mag es ja grundsätzlich, wenn kooperative Spiele einem das Leben schwer machen, aber hier hat mich der Zufallsfaktor schon manches Mal arg gestört. Trotzdem triggert es den Ehrgeiz, weitere Partien zu spielen, um endlich auch mal siegreich zu sein. Für mich persönlich steckt in Carcassonne mit seinen unterschiedlich anspruchsvollen Leveln auf Dauer mehr Wiederspielreiz drin, als in Dorfromantik, wo wir bereits alles freigespielt haben.