Spiel des Jahres 2023 – Sieger

Seit gestern Abend stehen sie fest, die drei Preisträger für das Kinderspiel, Kennerspiel und Spiel des Jahres. Während in Berlin möglicherweise gerade noch die Pressekonferenz läuft, sitze ich bereits zu Hause an meinem PC und habe begonnen diese Zeilen zu verfassen. Das ist möglich, weil es dieses Jahr erstmals zwei Veranstaltungen gibt. Gestern Abend die feierliche Preisverleihung und heute dann eine reine Pressekonferenz, wie man sie vielleicht aus anderen Bereichen kennt. Ich möchte euch nun von der Preisverleihung berichten.

Auf den ersten Blick sah es gestern kurz vor Beginn der Preisverleihung fast so aus, wie bei der Pressekonferenz der vergangenen Jahre. Ein großer Saal mit einer Bühne und vielen Stuhlreihen davor. Der Raum war schon gut gefüllt, als wir eintrafen. Es war definitiv voller als in den vergangenen Jahren und irgendwie spürte man einen anderen Flair. Was unter anderem sicherlich daran lag, dass man die Preisverleihung des Kinderspiel des Jahres mit der Verleihung des Hauptpreises zusammen gelegt hat.

Aber auch die Dekoration war eine andere. Um die Bühne herum stand nicht der Verein Spiel des Jahres im Vordergrund, sondern Elemente der einzelnen nominierten Spiele. Diese zeigten sich auch in Großpackungen auf der Bühne, dafür liefen keine als Pöppel verkleidete Menschen mehr durch den Raum. Die Verlage hatten auch keine imposanten Stände vorbereitet, um ihre Spiele für Fotosessions in Szene zu setzen, sondern einfach nur ein paar Tische mit den nominierten und empfohlenen Spielen belegt.

Diese standen auch ganz alleine im Mittelpunkt der Einspieler, die während der Preisverleihung über die Leinwand flimmerten. Statt wie zuvor Spielszenen einer Familie mit Kommentaren der Jury-Mitglieder zu unterfüttern, hat das Team vom Youtube-Kanal Format C ganz tolle Arbeit geleistet und die nominierten Spiele, ihr Material und den grundlegenden Spielablauf in kurzen Videos anschaulich und unterhaltsam dargestellt.

Kinderspiel des Jahres

Durch die Zusammenlegung beider Preisverleihungen komme ich nun erstmals auch in den Genuss über die Kinderspiel des Jahres-Verleihung zu schreiben, auch wenn ich mit diesem Metier bislang weniger vertraut bin. Carla Caramel war dieses Jahr das einzige Spiel aller Nominierten, welches von einer Frau entwickelt wurde, nämlich von Sara Zarian. Es ist nach Monsieur Carrousel erst ihre zweite Veröffentlichung, beides sind kooperative Spiele, die bei LOKI erschienen sind. Die Autorin wollte sich bei diesem Spiel bewusst etwas davon lösen, dass die Sonne aus eurozentristischer Perspektive vor allem in Kinderspielen grundsätzlich positiv besetzt ist. Die Kinder versuchen dabei gemeinsam große Eistüten zusammenzustellen und auszugeben, bevor die Sonne das Eis zum schmelzen bringt.

SdJ'23: Carla Caramel
SdJ’23: Carla Caramel / Foto: Brettspielpoesie

Für das Memo-Spiel Gigamon war Autor Johann Roussel neben Verlagsvertretern vor Ort. Er sprach davon, dass die niedlichen, Gigamon genannten Monster bereits aus einer vorherigen Spielentwicklung stammen, die sich als nicht überzeugend herausstellte, weswegen er begann davon ausgehend ein Memo-Spiel mit immer nur neun aktiven Plättchen zu entwickeln. Das Besondere an Gigamon sind eben diese Monster und ihre Fähigkeiten, die man nutzen kann, wenn man ein solches Paar aufdeckt.

SdJ'23: Gigamon
SdJ’23: Gigamon / Foto: Brettspielpoesie

Bei Mysterium Kids steht ein kleines Tamburin im Mittelpunkt. Es wurde betont, dass solche Elemente Kinderspiele in der Regel aufpeppen und das Spielerlebnis unterstützen, weswegen sie meist nicht als reines Gimmick anzusehen sind. Das Tamburin kam auch bei der anschließenden Gesprächsrunde mit den Verantwortlichen für die Spielentwicklung wiederholt zum Einsatz, was zu einer Auflockerung der Veranstaltung führte.

SdJ'23: Mysterium Kids
SdJ’23: Mysterium Kids / Foto: Brettspielpoesie

Noch mehr Stimmung kam auf, als dieser Titel dann auch zum Kinderspiel des Jahres ausgezeichnet wurde. Jo France von der Jury Kinderspiel des Jahres betonte im Gespräch, dass erfolgreiche Vorgängerspiele wenig Einfluss auf die Preisvergabe haben. Zwar geht man schon mit einem positivem Gefühl an eine solche Adaption heran, wenn der Vorgänger überzeugen konnte, dennoch muss sich die zugehörige Kinderspieladaption auch ausreichend abheben und vor allem die Kinder von sich überzeugen, indem sie viel Spaß mit dem Spiel erleben. Unter anderem auch die Kinder der Grundschule am Eliashof in Berlin, dessen Schüler Elias für die Bekanntgabe auf die Bühne kam.

Sonderpreis

Die Brücke vom Kinderspiel zum Kennerspiel des Jahres hätte man nicht besser schlagen können als mit der Übergabe des Pöppels für den Sonderpreis, den beide Jurys in diesem Jahr gemeinsam an Unlock! vergeben. Sowohl die Spielerlebnisse der Game Adventures des Autors Cyril Demaegd, als auch der Kinderspielversion Unlock! Kids, welche in Zusammenarbeit mit Marie und Wilfried Fort entstanden ist, haben die Jurymitglieder zu diesem Sonderpreis veranlasst. Der Preis dient der Würdigung der hervorragenden Entwicklung dieser Spielreihe. Bei Unlock! ist es gelungen das Spielsystem immer weiter zu verfeinern und immer noch etwas drauf zusetzen, zuletzt eben mit der Einbindung anderer Brettspielwelten, quasi die doppelte Portion Sahne für jeden Brettspiel- und Escape Room-Spiel-Fan. Auf der anderen Seite ist es gelungen, das Prinzip kindgerecht herunterzubrechen und ganz ohne App-Unterstützung ebenfalls tolle Spielerlebnisse zu erzeugen.

SdJ'23: Unlock!
SdJ’23: Unlock! / Foto: Brettspielpoesie

Kennerspiel des Jahres

Bei Iki spricht die Jury von einem tollen Gesamtkunstwerk. Neben der mittlerweile ansprechenden Optik entsteht eine tolle Verzahnung der einzelnen Elemente. Es ist sowohl gute Vorausplanung angebracht, als auch ein gewisses Quäntchen Glück, um Iki erfolgreich zu spielen, was es zu einem guten Kennerspiel macht. Leider konnte der japanische Autor Koota Yamada nicht persönlich anwesend sein. Stattdessen stand Frank Noack von Giant Roc auf der Bühne und sprach darüber, dass es 2015 wohl einfach noch zu früh für dieses Spiel war, da die ursprüngliche Crowdfunding-Kampagne damals nicht erfolgreich verlief. Als Gigamic ihm die optisch überarbeitete Version einige Jahre später anbot, hat er zunächst etwas gehadert und sich schlussendlich darauf eingelassen eine kleine Auflage zu produzieren.

SdJ'23: Iki
SdJ’23: Iki / Foto: Brettspielpoesie

Die Autoren von Planet Unknown, Adam Rehberg und Ryan Lambert, erzählten davon, dass die Entwicklung ihres Spiels vor etwa acht Jahren mit einer Tiefkühlpizza begann. Der erste Arbeitstitel war damals übrigens “Star Koro”: Eine Mischung der Spieltitel Starcraft mit den asymmetrischen Fraktionen und Machi Koro, die beide den Ausgangspunkt für die Entwicklung lieferten.

SdJ'23: Planet Unknown
SdJ’23: Planet Unknown / Foto: Brettspielpoesie

Das zunächst als Underdogs angekündigte zweite Spiel des relativ jungen Verlags 1 more time games, Challengers, sollte in seiner ersten Version nur unterschiedliche Tierkarten enthalten. Man entschied sich dann jedoch für ein offeneres Thema mit vielen verschiedenen Akteuren, in der Hoffnung damit eine breite Zielgruppe anzusprechen. Die Inspiration gaben sogenannte Auto-Battler für den PC. Den Autoren war es wichtig die Spieler dazu zu bringen etwas loszulassen und das eigens zusammengestellte Team zu bejubeln.

SdJ'23 Challengers
SdJ’23 Challengers / Foto: Brettspielpoesie

Grund zu jubeln haben auch alle Beteiligten an diesem Spiel, denn Challengers ist das Kennerspiel des Jahres 2023. Für die Bekanntgabe hat man Mikhail Malyutenko aus der Ukraine eingeladen, von dem Harald Schrapers bereits im vergangenen Jahr auf der Preisverleihung berichtete.

Rückblick 1983

Wie auch schon im vergangenen Jahr gab es erneut einen Rückblick auf das Spiel des Jahres von vor 40 Jahren. Für das Gespräch betrat eines der Gründungsmitglieder der Jury Spiel des Jahres, Jochen Corts, die Bühne. Die Entwicklung des damaligen Siegertitels, Scotland Yard, übernahm ein Team aus ganz unterschiedlichen Personen des Verlags, es war quasi eine interne Auftragsarbeit. Die Grundidee war ein Spiel wie Räuber und Gendarm mit unterschiedlichen Rollen zu entwickeln.

SdJ'23: Scotland Yard
SdJ’23: Scotland Yard / Foto: Brettspielpoesie

Jochen Corts lies sich nicht dazu verleiten, zu verraten wie er damals abgestimmt hat. Er sprach von “nur” 30-40 Spielen, die damals überhaupt zur Auswahl standen. 1983 war auch die gesamte Auswahlliste so kurz wie nie wieder seit dem, denn sie enthielt neben dem Sieger nur vier weitere Titel. Darunter ein Spiel mit dem poetischen Titel Titel “Fuzzi, Heinz und Schlendrian fahren mit der Bimmelbahn”, einem abstrakten Laufspiel, was damals gar nicht mal schlecht gewesen sein soll. Dennoch stimmten sechs der damals acht Jury-Mitglieder für Scotland Yard, was sich auch heute mit kleinen Anpassungen noch am Markt gegen aktuelle Spieldesigns behaupten kann.

Spiel des Jahres

Nach etwas mehr als einer Stunde steuerte die Veranstaltung auf den Höhepunkt zu, die Vergabe des Hauptpreises. Fun Facts wurde als idealer Eisbrecher in Spielgruppen vorgestellt. Was ich selbst auch schon erlebt habe, dass man hinterher oft noch viel länger über bestimmte Antworten spricht, gilt für die Jury als besonderes Merkmal. Der dänische Autor Kasper Lapp sagte, dass er grundsätzlich an alle seine Spielideen als potentielle Kassenschlager glaubt, dann aber hin und wieder in den Testphasen auf den Boden der Tatsachen zurück geholt wird.

SdJ'23 Fun Facts
SdJ’23 Fun Facts / Foto: Brettspielpoesie

Auch der Australier Matthew Dunstan kam zur Verleihung angereist und sprach ein wenig über die Spielentwicklung. Er liebt es mit seiner Frau Flip and Write Spiele zu spielen, gerne bereits morgens am Frühstückstisch. Er mag vor allem, dass sich diese Spiele meist gut transportieren lassen und wenig Platz benötigen, weswegen er eigentlich immer eines dabei hat, wenn er mit dem Zug unterwegs ist. Am Anfang seiner Spielentwicklung stand die Karte, denn er wollte nicht nur abstrakte Kreuze auf einem Blatt Papier setzen lassen. Dann kam ihm die Idee mit den verschieden farbigen Stiften und so begann die Entwicklung von Next Station: London.

SdJ'23 Next Station: London
SdJ’23 Next Station: London / Foto: Brettspielpoesie

Über die Entstehung des Brettspiels zu Dorfromantik haben wir beim Pegasus Pressetag im vergangenen Jahr bereits ein wenig erfahren. Die Autoren Michael Palm und Lukas Zach hatten bereits einen Prototypen, der damals allerdings noch in Hawaii spielte, den sie kurzerhand überarbeiteten. Sie wollten schnell an den Hype um das Videospiel anknüpfen und wendeten sich mit ihrer Idee an Pegasus Spiele, mit denen sie zuvor schon mehrfach erfolgreich zusammenarbeiteten. Trotz der ungewöhnlichen Herangehensweise sagte Pegasus zu und kümmerte sich um die Lizenzierung der Idee. Die Zusammenarbeit mit Toukana Interactive funktionierte einwandfrei und man spielte schon sehr bald den ersten digitalen Protoypen gemeinsam.

Die Spielentwicklung profitierte sogar etwas vom Lockdown, da dies den Autoren die erforderliche Zeit einräumte, sich komplett dieser Arbeit hinzugeben. Die Jury ist begeistert von der Spannung, die Dorfromantik mit den zunächst geheimen Schachteln aufbaut. Zudem profitiert es davon, dass Personen jederzeit ein- oder aussteigen können und man keine Vorkenntnisse des Videospiels benötigt.

Für die Bekanntgabe des Spiel des Jahres 2023 holte man sich jemanden auf die Bühne, der Brettspiele bereits aus einem ganz ungewöhnlichen Blickwinkel in Augenschein genommen hat. Holger Siebnich wettete 2022 bei der Samstagabendshow Wetten dass?! darauf sämtliche Spiel des Jahres-Preisträger am Ausschüttgeräusch erkennen zu können. Wie es klingt, wenn man den Inhalt von Dorfromantik-Schachtel mit einem Ruck in eine Plastikschale entleert haben wir zwar nicht erfahren, aber das entspannte Spielerlebnis konnte sich bei der Jury durchsetzen: Dorfromantik – Das Brettspiel ist Spiel des Jahres 2023! Zur Feier des Tages hat der Verlag direkt ein neues Spiel im selben Universum angekündigt: Zur SPIEL’23 erscheint Dorfromantik – Das Duell, welches auch als Erweiterung genutzt werden kann.

SdJ'23 Sieger
SdJ’23 Sieger / Foto: Brettspielpoesie

Insgesamt war es in meinen Augen eine sehr runde Veranstaltung, der ich gerne beigewohnt habe. Meine erste Befürchtung, dass Interview-Möglichkeiten auf den Montag verbannt werden, ist nicht eingetreten. Das gesamte Drumherum war tatsächlich heimelig-gemütlich wie auch auf früheren Veranstaltungen. Leider hat die Technik ein wenig versagt, sodass Interviews ggf. noch nachgeholt werden müssen. Sollte der Termin in 2024 auf dem Sonntag nach der BerlinCon bleiben, würde ich überlegen, ob man nicht doch noch eine Nacht dran hängt, um den Abend nett ausklingen zu lassen ohne die Uhr und die bevor stehende Fahrt nach Hause im Rücken zu haben.

Eure Meinung?

Nun seid ihr gefragt: Wie ist eure Meinung zu den Siegertiteln, seid ihr zufrieden? Schreibt mir gerne in die Kommentare, wie ihr die Bekanntgabe erlebt habt.

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