Spiel des Jahres 2022 – Sieger

Ich habe am Montagmittag nach der BerlinCon begonnen diese Zeilen zu schreiben. Eigentlich wäre es für mich zu diesem Zeitpunkt erst zurück nach Braunschweig gegangen, denn die Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Siegertitel zum Spiel und Kennerspiel des Jahres fand in den vergangenen Jahren immer montags statt. Für mich als Pressevertreter war das ideal. Man konnte die BerlinCon zuvor komplett durchziehen und einfach noch den Montag als freien Tag dran hängen. Um die Veranstaltung festlicher zu gestalten entschied sich die Jury dieses Jahr für die Bekanntgabe der Sieger am Samstagabend.

Erneut ging es ins Hotel nhow direkt an der Spree um in einer Stunde die sechs Nominierten kurz vorzustellen, einen Ehrengast zu einem früheren Siegertitel zu interviewen und die beiden Siegertitel bekannt zu geben. Dieses Jahr war kein einziger deutscher Autor unter den Autoren der nominierten Titel zu finden. Stattdessen kamen die Autorinnen und Autoren aus den USA, Dänemark, England, Frankreich und sogar Japan. Eine internationale Veranstaltung also. Ebenso wie das Publikum, welches den Livestream verfolgte. Darunter auch Mikhail Malyutenko aus der Ukraine. Er hatte bei der Jury angefragt, Brettspiele für einen örtlichen Spieletreff in Kremenchuk zu erhalten. Diese Stadt ist sein Zufluchtsort geworden, denn er musste all sein Hab und Gut, darunter alle bisherigen Spiel des Jahres-Sieger, in Charkiw hinter sich lassen, um Schutz zu suchen und möchte mit den Brettspielen nun auch vielen weiteren Flüchtlingen helfen Kontakte zu knüpfen und ins Leben zurück zu finden. Ich finde es gut, auf solche Situationen aufmerksam zu machen. Da kommt man sich in seiner Brettspielblase doch plötzlich ganz klein und unbedeutend vor, wenn man zusammen gekommen ist, um das beste Brettspiel des Jahres zu küren, während andernorts Menschen alles verlieren und um ihr Leben bangen müssen.

Kennerspiel des Jahres 2022

In gewohnter Weise kamen nach kurzen Einspielern mit Kommentaren der Jury-Mitglieder die verantwortlichen Autoren und Verlagsvertreter der nominierten Spiele auf die Bühne, um ihre Urkunden entgegen zu nehmen. Manuel Fritsch von Insert Moin führte uns durch den Abend und stellte den Autoren interessante Fragen. Die Autoren von Cryptid, Ruth Veevers und Hal Duncan, erzählten von der Entstehung ihrer Spielidee. Ruth ist Informatikerin und hat auch den Algorithmus geschrieben, der die vielen verschiedenen Spielaufbauten ausgerechnet hat. Besonders dieser Aspekt wird in unseren Gruppen immer wieder mit viel Begeisterung gelobt. Thematisch war Osprey Games die treibende Kraft anstelle von Piraten auf mystische Wesen zu setzen.

Paul Dennen erzählte, dass er schon immer großer Fan der Dune-Bücher war und sich mit diesen und den Filmen auch auf die Spielentwicklung vorbereitet hat. Nur so war es möglich ein thematisch solch dichtes Spiel entstehen zu lassen. Besonders hebt er die Aufdeckphase vor, wodurch auch nicht ausgespielte Karten einen sinnvollen Verwendungszweck erhalten. Der Prototyp von Aske Christiansen zu Living Forest hatte ursprünglich ein Wikinger-Thema. Doch nun freut er sich, mit seinem zum Kennerspiel des Jahres 2022 ausgezeichnetem Spiel auch auf ökologische Missstände hinzuweisen. Ihm war die pure Freude ins Gesicht geschrieben, mit seinem Erstlingswerk gleich so erfolgreich zu sein.

KSdJ22 Sieger
KSdJ22 Sieger: Living Forest / Foto: Brettspielpoesie

Rückblick

Etwas Auflockern sollte ein kurzes Interview mit Michel Matschoss, dem Co-Autoren von Sagaland, Spiel des Jahres-Preisträger von 1982. Er erzählte wie die gemeinsame Spielentwicklung mit Alex Randolph damals ablief. Die Vorgabe von Ravensburger war ein Märchenspiel zu erschaffen, doch lange fehlte beiden Autoren die zündende Idee. Als Ravensburger Ergebnisse sehen wollte, trafen sich die beiden auf der „Dornröschenburg“ in Hessen. Eigentlich sollte sich das Spiel um den Weg hoch auf eine Burg drehen, doch kam hier die Wendung hinein, etwas zur Burg bringen zu wollen. Das Spiel bestach durch seine Einfachheit, befriedigte die Neugier durch den Entdeckeraspekt und erzeugte dabei auch ein wenig Schadenfreude. Ideale Faktoren, um ein erfolgreiches Spiel zu werden.

SdJ'22 Interview
SdJ’22 Interview / Foto: Brettspielpoesie

Spiel des Jahres 2022

Zum Schluss steuerte man dann auf die Antwort des Abends hin, welcher Titel sich nun Spiel des Jahres 2022 nennen darf. Während die Tendenz aller, die man im Vorfeld fragte, beim Kennerspiel eindeutig war, so war man doch beim Hauptpreis eher unentschlossen. Würde die Jury wieder ein Partyspiel auszeichnen oder ein Spiel mit mehr Regeln und mehr spielerischem Gehalt? Ich selbst gebe gerne zu, dass es sowohl bei Scout als auch bei Top Ten kommunikativer am Tisch zugeht. Bei Cascadia puzzeln alle nur vor sich hin, ärgern sich vielleicht mal hin und wieder lautstark wenn ein Mitspieler eine gewünschte Kombi nimmt und nur Mist nachzieht. Dennoch war dies mein persönlicher Favorit auf den Titel.

Cascadia-Autor Randy Flynn erzählte von diversen Rucksacktouren durch die Region Kanadas, die das Spiel als Titel trägt. Die Frage nach der Möglichkeit für Lachse in der Wüste zu überleben konnte er auch nur damit begründen, dass diese Landschaft ebenfalls von kleinen Bächen durchzogen ist, die man auf den vereinfacht illustrierten Plättchen einfach nicht entdecken kann. Der Japaner Kei Kajino, Autor von Scout, und auch der Verlagsvertreter von Oink Games hatten viel zu erzählen. Leider verstand dies vermutlich nur Julia Grundmann, die deutschsprachige Vertreterin von Oink Games, die uns die Ausführungen zusammenfassend auf deutsch übersetzte. Das Thema bekam Scout erst kurzfristig in der Hoffnung mit dem Zirkus den Karten im Spiel ein nachvollziehbares Thema zu geben, welches in aller Welt verstanden werden kann. Und in der neuen Ausgabe befinden sich die Zahlen auf beiden Seiten der Karten, sodass auch Linkshänder diese ohne Krämpfe in gewohnter Weise auffächern können.

Scout beidseitig
Scout beidseitig / Foto: Brettspielpoesie

Aurélien Picolet, Autor von Top Ten, berichtete, dass die Spielentwicklung und die Testphase zum Glück bereits vor der Pandemie abgeschlossen war. Denn per Videokonferenz funktioniert sein Spiel einfach nicht gut.

Die Spannung stieg, als Manuel Fritsch und Harald Schrapers gemeinsam den Vorhang lüfteten und der rote Pöppel darunter zum Vorschein kam. Die Jahreszahl fiel wieder ab, doch hatten alle ihre Augen viel mehr auf dem Titel in der Mitte: Cascadia. Damit geht der Titel nach 14 Jahren erstmals wieder an den Kosmos Verlag, im dritten Jahr in Folge mit einem nominierten Titel in der roten Kategorie. Und das im Jubiläumsjahr, denn das 200-jährige Verlagsjubiläum wird derzeit bei den Stuttgartern gefeiert. Spannend ist vor allem, das damit auch erstmalig ein ursprüngliches Kickstarterspiel die Jury von sich überzeugen konnte.

SdJ22 Enthüllung
SdJ22 Enthüllung / Foto: Brettspielpoesie

Interviews gibt es dieses Jahr von mir leider keine. Es hat sich einfach nicht ergeben. Die lockere Stimmung am Samstagabend nutzte ich vielmehr dazu spannende Gespräche mit den Anwesenden zu führen. Dort nun die Mikros auf den Tisch zu packen und sich alle zu Interviews heranzuholen, hätte sich nach Arbeit angefühlt. Von daher bleibe ich dabei, dass mir der Termin am Montagvormittag mehr zusagt. Da ist man noch frisch und noch nicht so kaputt vom vorangegangenem Tag. Dann hätte ich mich womöglich auch nicht davor gescheut Interviews auf englisch zu führen ;-) Wer trotzdem etwas auf die Ohren haben möchte, kann sich bei den Bretterwissern anhören wir Arne und ich über das Wochenende sprechen.

SdJ22 Sieger
SdJ22 Sieger / Foto: Brettspielpoesie

Eure Meinung?

Nun seid ihr gefragt: Wie ist eure Meinung zu den Siegertiteln, seid ihr zufrieden? Schreibt mir gerne in die Kommentare, wie ihr die Bekanntgabe erlebt habt. Wünscht ihr euch mehr Glamour für diese Veranstaltung?

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