SPIEL’23 – Spieleindrücke Teil 2

Auch im Bereich der Kenner- und Expertenspiele gibt es auf der SPIEL’23 manch interessanten Titel, den ich bereits spielen konnte. Sie sind bereits um die BerlinCon herum oder gar etwas früher erschienen, was mir genügend Zeit gab, sie mehrfach zu spielen. Gerne möchte ich euch diese für eure persönliche Vorbereitung zur SPIEL heute kurz vorstellen und auch meine Meinung dazu mitteilen.


Books of Time

Books of Time Cover
Books of Time – Cover / Foto: Board & Dice

Bei Books of Time dreht sich alles um Bücher, welche die Zeit überstehen und auch spätere Generationen noch faszinieren und inspirieren sollen. Dafür stellen alle ihre eigenen Ringbücher zusammen, um mit deren Aktionen die meisten Siegpunkte zu sammeln.

Spielablauf:

Jeder startet mit drei Ringbüchern, jeweils einem zu Handel, Wissenschaft und Industrie, die sich im Laufe einer Partie mit weiteren Seiten füllen. Bis zu zwei Karten kann man als Aktion aus der gemeinsam Auslage in seinen Spielbereich nehmen, wo jeder Karte Kosten zugewiesen sind, die man zahlen muss, um die Seite ins zugehörige Buch zu schrieben.

Books of Time - Spielsituation2p
Books of Time – Spielsituation 2 Spieler

Weitere Karten schieben vorherige nach rechts, wodurch sich die Kosten ändern können. Passenderweise sind die Ressourcen hier Stift und Papier sowie Aktenordner als Joker. Jede Karte zeigt auch einen Soforteffekt, der beim Schreiben der Seite ausgelöst wird und eine Hauptaktion, die sich aktivieren lässt. Auf der Rückseite befindet sich eine abgeschwächte Version davon.

Books of Time Ringbuch
Books of Time – Ringbuch / Foto: Brettspielpoesie

Eine Möglichkeit im eigenen Zug ist es, eines seiner Bücher zu wählen und die beiden offenen Seiten zu aktivieren und anschließend auf die nächste Seite umzublättern. Schließt man dabei das Buch, löst man alle Sofortaktionen der Seiten darin aus. Dies kann man auch als eigene Aktion ausführen, dabei erhält man aber nur die Soforteffekte auf den Seiten links, welche man also schon gelesen hat. Wer Seiten schreiben möchte, muss die angegebenen Ressourcen abgeben, um die Seiten in die farblich passende Bücher zu schreiben.

Books of Time Spielsituation3p
Books of Time Spielsituation 3 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Es gibt auch die Möglichkeit in bis zu drei Büchern eine Seite umzublättern, um ihre Sofort-Effekte auszulösen. Alternativ zum Umgang mit seinen Ringbüchern und den Seiten darin, gibt es die Möglichkeit Ressourcen auszugeben, um auf dem Zivilisationsplan voranzuschreiten, was dort Boni auslöst. Man kann den angegebenen Bonus ausschlagen und stattdessen das oberste Meilensteinplättchen des zugehörigen Stapels ablegen, wodurch ein Standardbonus ausgelöst wird. Die Plättchen darunter führen zur mehr Siegpunkten, die Vorgaben werden aber auch schwieriger zu erfüllen. Ein Zurück zum vorherigen Plättchen gibt es dann nicht mehr.

Zusätzlich darf man vor oder nach der eigenen Hauptaktion auch einen Effekt der Chronik auslösen. Die Chronik zählt zugleich als Rundenzähler, indem jede Runde umgeblättert und neue Effekte ermöglicht werden. Sobald die Chronik geschlossen wird, endet die Partie.

Books of Time Spielerauslage
Books of Time Spielerauslage / Foto: Brettspielpoesie

Bei der Schlusswertung schaut man auf die obersten Meilensteinplättchen aller Spieler und prüft, ob die Vorgaben darauf mit den Seiten der eigenen Bücher erfüllt sind. Zusätzlich kann man sich über den Zivilisationsplan Wertungen für die Karten bestimmter Farben freischalten und übrige Ressourcen bringen noch wenige Punkte ein, bevor der Sieger bestimmt wird.

Meinung:

Die bei Books of Time verwendeten Ringbücher sind originell und lassen die Spieler sonst wohl bekannte Mechanismen neu erleben. Auch wenn sie genau genommen überflüssig wären und das Spiel ebenso funktionieren würde, wenn man die Karten auf zwei Stapel legt und immer vom einen auf den anderen ablegen würde. Aber als Ringbuch läuft dies geordnet ab, wobei das Spielmaterial auffällt und zum spielen einlädt.

Viel Abwechslung erlebt man bei Books of Time nicht. Auch wenn sich die konkreten Anforderungen an Kartensymbole unterscheiden können und die Chronik durchaus andere Effekte ermöglicht, macht man doch immer dasselbe. Wenn Spieler lange über ihre Züge nachdenken, kann dies zu Downtime führen, da es einen eigentlich kaum interessiert, was die anderen machen. Lediglich bei der Kartenwahl aus der gemeinsamen Auslage lohnt sich mal ein Blick, was die anderen sammeln könnten, wenn man selber verschiedene lukrative Optionen hat. Dafür kann man den eigenen Zug gut vorausplanen, wenn man nicht gerade Karten ziehen möchte.

Und zu planen gibt es einiges, wenn man aus den sechzehn Aktionen pro Partie viel herausholen möchte. Dieses Optimieren macht mir Spaß, auch wenn die Kartenauslage sich manchmal zu zufällig anfühlt, wenn man ein bestimmtes Symbol benötigt und dieses einfach nicht kommt oder nicht bis zum eigenen Zug liegen bleibt. Im Grunde dreht sich bei diesem Spiel alles darum die eigene Spielauslage zu optimieren und die richtigen Seiten in die Bücher zu schreiben, um damit möglichst gute Aktionsketten auszulösen und mit den Kartensymbolen die Meilensteine zu erreichen. Solche Kettenreaktionen fühlen sich sehr belohnend an.

Wertungsnote 4/6

Verlag: Board & Dice / Giant Roc
Autor(en): Filip Glowacz
Erscheinungsjahr: 2023
Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
Dauer: 45 – 60 Minuten

Vielen Dank an Board & Dice für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


Distilled

Distilled Cover
Distilled – Cover / Foto: B-Rex

Der US-amerikanischer Schriftsteller Raymond Chandler sagte einst, “Es gibt keinen schlechten Whisky. Es gibt nur einige Whiskys, die nicht so gut sind wie andere.” Dies stellen die Spieler bei Distilled unter Beweis, wenn sie ihre eigene Destillerie ausbauen und mehr oder weniger edle Tropfen zusammenzustellen, um sie gewinnbringend zu verkaufen.

Spielablauf:

Die sieben Runden in Distilled laufen alle nach demselben Schema ab: Erst gibt es die Möglichkeit am Markt neue Karten zu erwerben, dann wird destilliert und anschließend verkauft, bevor ggf. Spirituosen im Fasskeller reifen.

Distilled Kartenauslage
Distilled – Kartenauslage / Foto: Brettspielpooesie

Spannend ist die Destillationsphase, in der man beliebige viel Hefe-, Zucker- und Wasserkarten in den Gärbottich legt. Für jeden Zucker entsteht Alkohol und diese Karten mischt man mit der eingesetzten Hefe, Wasser und Zucker zusammen. So entsteht das Destillat. Fast wie im echten Leben entfernt man den ungenießbaren Vor- und Nachlauf, also die oberste und unterste Karte des Destillats. Anschließend zeigt sich, was dabei entstanden sein könnte. Dafür wird geprüft ob die Karten des Destillats mit einem der bereits freigeschalteten Rezepte zusammenpassen. Ist dies der Fall, benötigt man noch ein passendes Fass und nimmt sich ein passendes Label. Diese sind allerdings nur begrenzt verfügbar. Ist keines mehr vorhanden, darf man das Rezept weiterhin verwenden, verpasst aber die Chance beim Verkauf einen Labelbonus zu bekommen.

Distilled Spielsituation 2 Spieler
Distilled – Spielsituation 2 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Für die Verkaufsphase benötigt man eine Flasche und es ist entscheidend, ob die hergestellte Spirituose reifen muss oder nicht. Wenn Reifung erforderlich ist, muss das Fass für mindestens eine Runde im Fasskeller verbleiben. In jeder Reifephase kommt ein Aroma hinzu, welches offenbart sich in der Regel erst beim Verkauf.

Distilled Spielsituation
Distilled – Spielsituation 3 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Beim Verkauf bestimmt man den Erlös und die Siegpunkte, die sich aus der Alkoholsorte, der Flasche und ggf. weiterer Boni ergeben. Bei gereiften Spirituosen offenbart sich dass Aroma beim Verkauf.

In jeder Partie gibt es verschiedene Auszeichnungen, die besondere Errungenschaften zusätzlich belohnen. Wer am Ende einer Runde das Erreichen einer solchen Errungenschaft vorweisen kann, erhält die Punkte dafür. Wem dies nicht in derselben Runde gelingt, geht leer aus.

Distilled Spielertableau
Distilled – Spielertableau / Foto: Brettspielpoesie

Bei Spielende bringen die eingesetzten Flaschen Siegpunkte, dabei werden gleiche ebenso belohnt wie unterschiedliche. Von den zu Beginn drei persönlichen Zielkarten, musste man sich bereits nach der dritten Runde von einer trennen, die anderen beiden kann man nun werten, wenn man die Vorgabe erfüllt. Es gibt noch wenige Punkte für übrige Spirituosen im Fasskeller und Münzen, bevor der Sieger feststeht.

Meinung:

Distilled ist ganz wunderbar ausgestattet. Zur Unterbringung des kleinteiligen Spielmaterials gibt es Game Trays, welche die hohe Schachtel optimal ausfüllen und auch noch die Form von Fässern haben. Das wirkt einfach wunderbar geplant und liebevoll umgesetzt. Der Spielaufbau wird von der Aufbewahrung gut unterstützt, bleibt aber dennoch aufwändig. Vor allem durch die vielen verschiedenen Karten, die man einzeln mischen und bereit legen muss. Das gesamte Spielmaterial benötigt auch nicht wenig Platz auf dem Tisch.

Der Spielablauf ist zwar recht detailliert, durch Übersichtskarten und die einzelnen Bereiche der Spielerauslage aber auch gut geführt und schnell verinnerlicht. Die einzelnen Aktionen sind gar nicht schwer, es spielt sich schnell locker runter. Was mich etwas stört, sind die persönlichen Zielkarten. Sie können hervorragend zur Ausgangslage passen oder auch überhaupt nicht, was sie unterschiedlich leicht zu erreichen macht.

Auch beim Set Collection-Aspekt mit den Flaschen bin ich mir nicht sicher, ob es diesen Schnörkel wirklich noch benötigt. Beim Reifen im Fasskeller ist es spannend, welche Aromen dabei entstehen, denn die Aromen können sämtliche Geschmäcker erzeugen, von unangenehm wie Autoreifen bis hin zu leckerem Geburtstagskuchen. Die Auflösung ist immer eine spannende Sache und fühlt sich wunderbar thematisch an. Durch den fehlenden Verkauf beim reifen nimmt man aber kein Geld ein, was die Ausgangslage für die folgende Runde erschwert. Es ist auf jeden Fall schwieriger zu spielen, als wenn jede Runde durch den Verkauf ordentlich Geld reinkommt.

Bei nur sieben Runden, in denen man jeweils nur ein Getränk destillieren kann, kommt es auf gute Vorbereitung an, immer alle Zutaten zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu haben und sich ggf. dauerhafte Effekte durch Spezialisten und Anschaffungen sichern. Es ist schon zufällig, ob das Destillieren wie geplant gelingt, aber es kann in der Realität eben auch schief gehen. So wie im wahren Leben Übung den Meister macht, steigen die Chancen meist auch in späteren Runden einer Partie Distilled. Durch Karteneffekte oder einfach mehr Wasser, Hefe und Zucker, aus denen man sein Destillat zusammenstellt, steigt die Wahrscheinlichkeit was Gutes dabei heraus zu bekommen. Auch wenn die Partien grundsätzlich ähnlich verlaufen, macht es mir immer wieder Spaß, mich am Spieltisch daran zu probieren, leckere Getränke herzustellen.

Wertungsnote 5/6

Verlag: Paverson Games / Giant Roc
Autor(en): Dave Beck
Erscheinungsjahr: 2023
Spieleranzahl: 1 – 5 Spieler
Dauer: 30 Minuten pro Person

Vielen Dank an B-Rex Entertainment für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


Earthborne Rangers

Earthborne Rangers Cover
Earthborne Rangers – Cover / Foto: Frosted Games

Bei Earthborne Rangers blicken wir in eine fiktive Zukunft und erkunden als Ranger eine Solarpunk-Welt, in der alle mit der Natur im Einklang leben. Mechanisch haben wir es mit einem Deckbuilding-Spiel in einer offenen Welt zu tun. Es gibt zwar eine Hauptgeschichte, die wie erleben, wir sind dennoch relativ frei zu welchen Orten wir reisen und was wir nebenbei so entdecken oder erledigen.

Spielablauf:

Bei Earthborne Rangers erlebt man über mehrere Partien eine Kampagne, in der man pro Partie verschiedene Orte besucht, Personen trifft, Missionen annimmt und diese versucht zu erfüllen. Eine Karte des Landes zeigt die Orte und Landschaften zwischen ihnen, es eröffnet einem die völlig freie Wahl, welche Wege man einschlägt und welche Orte man besucht.

Earthborne Rangers Landkarte
Earthborne Rangers Landkarte / Foto: Brettspielpoesie

Jeder Charakter hat ein persönliches Deck, zusätzlich erstellt man aus dem aktuellen Ort und dem Gelände, über welches man diesen erreicht hat, den Pfadstapel. Von diesem kommen immer wieder Karten ins Spiel, sie repräsentieren, wem oder was man auf der Reise so begegnet. Manche Missionen ziehen sich über mehrere Tage, andere muss man an einem Tag erfüllen oder sonst wieder von vorne beginnen. Der Spielstand lässt sich speichern, um die nächste Partie am neuen Ort zu beginnen.

Earthborne Rangers Spielauslage
Earthborne Rangers Spielauslage / Foto: Brettspielpoesie

Man unterscheidet verschiedene Reichweiten, wie den eigenen Spielbereich, in Reichweite, entlang des Weges oder die Umgebung. Um mit Karten entlang des Weges zu interagieren, muss man ggf. an den Karten im eigenen Spielbereich vorbei. Wenn man diese Karten nicht zuvor entfernt, kostet das Müdigkeit was bedeutet, dass man Karten von Nachziehstapel auf den Müdigkeitsstapel legt.

Eine Partie endet sofort, sobald eine Person eine Karte nachziehen müsste, dies aber nicht kann. Daher sollte man den eigenen Nachziehstapel gut im Blick haben und ggf. den Ort zuvor verlassen, um ein Nachtlager aufzuschlagen. Wirkliche Niederlagen gibt es bei Earthborne Rangers nicht. Man kann jedoch Wunden erleiden, die einem das Deck dauerhaft verstopfen und es ist ohne Nachtlager nicht gestattet Karten zu ersetzen, die man zuvor ggf. durch erfolgreich beendete Missionen erhielt.

Earthborne Rangers Spielsituation
Earthborne Rangers Spielsituation / Foto: Brettspielpoesie

Reihum führen die Spieler jeweils eine Aktion aus, bis alle gepasst haben. Beim Passen wird alles aufgefrischt, man zieht eine neue Karte vom Stapel und neue Pfadkarten kommen ins Spiel. Statt zu passen kann man eine Karte, z.B. Ausrüstung, ausspielen oder einen Test durchführen. Die meisten Aktionen sind solche Tests, denn mit ihnen kann man alle möglichen Dinge tun, wie Angreifer bekämpfen, Hindernisse aus dem Weg räumen, mit Personen sprechen oder den Ort erkunden, um irgendwann beim Passen wegreisen zu können. Diese Tests haben eine Vorgabe, welchen Wert eines Aspekts man mindestens erreichen muss und mit welchen Kartensymbolen man diesen verbessern kann.

Eartborne Rangers Welteffektkarten
Earthborne Rangers Welteffektkarten / Foto: Brettspielpoesie

Es kommt noch eine Welteffektkarte hinzu, welche die eingesetzten Werte um -2 bis +1 modifiziert. Daher ist es immer ein Abwägen, mit welchem Wert man in einen Test hinein geht. Die Karten sind nämlich rar, da es nur wenige Gelegenheiten gibt, Karten nachzuziehen oder vom Müdigkeitsstapel zurück auf die Hand zu bekommen. Zusätzlich hat ein Welteneffekt Auswirkungen auf ausliegende Karten, die ebenfalls das jeweilige Symbol zeigen. Auch das Wetter ist in den Partien unterschiedlich und hat Auswirkungen auf den Verlauf einer Partie.

Meinung:

Den Einstieg in das Deckbuilding empfand ich auch mit dem Prolog eher unglücklich. Es beginnt damit eine Aspektkarte, eine Vorgeschichte, eine Berufung und Eigenarten zu wählen, ohne die Auswirkungen auch nur ansatzweise zu erahnen. Mit dem initial zusammenstellten Deck spielt man später aber die gesamte Kampagne und bekommt nur hin und wieder die Möglichkeit, Karten daraus auszutauschen. Ich habe versucht mich dabei etwas vom mechanischen Blickwinkel zu lösen und Karten nur nach ihren Namen zu wählen, doch musste später feststellen, dass mechanisch andere Aspekte und Karten sehr viel sinnvoller gewesen wären. Es gibt nämlich Aspekte, die man häufiger verwendet und bei eben diesen haben wir unsere Werte reduziert.

Unabhängig von dem holprigen Einstieg in den Deckbau, bereitet es uns große Freude die Welt von Earthborne Rangers zu entdecken. Es ist spannend keine fest vorgeschriebene Abfolge einzuhalten, sondern eigene Wege zu wählen. Unsere Partien hatten auch immer eine ganz eigene Dynamik. Möchte man zu bestimmten Orten durch andere nur schnell durchreisen, können Hindernisse einen davon abhalten. Wenn man diese nicht zügig entfernt, kommen immer mehr Pfadkarten hinzu und erschweren es weiter. Auch das Wetter hat Auswirkungen auf den Verlauf einer Partie. Bei Regenwetter kommt man schwieriger voran, als bei strahlendem Sonnenschein, das ist spielmechanisch gut umgesetzt.

In längst verloren geglaubten Partien, kann ein bisschen Kartenglück helfen, sich doch noch auf den letzten Metern zu einem Nachtlager retten zu können, was sich sehr cool anfühlt. Sicherlich gehört es auch thematisch gesehen einfach dazu, das nicht immer alles so laufen kann, wie geplant, doch wir hatten schon richtig frustrierende Situationen. Beispielsweise wenn eine einzelne Karte darüber entscheidet, ob man eine Mission noch erfüllen oder am nächsten Tag komplett neu angehen muss. Oder bei einem Test eine gerade oder ungerade Zahl über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Das war für mich an der einen oder anderen Stelle etwas zu zufällig.

Gerne hätte ich volle sechs Punkte vergeben, doch leider hindert mich der Umstand daran, dass auch nach über zehn Partien diese nicht immer wirklich flüssig ablaufen. Auch wenn es bei LCG’s normal sein soll, störe ich mich an den vielen Erratas und Kartenanpassungen. Bereits beim Erwerb des Spiels gab es Stickerbögen dazu, um ganze Textabschnitte im Storybuch zu ersetzen. Wenn es zu irgendwelchen Unklarheiten kommt, bemüht man zunächst alle aktualisierten Dokumente, in der Hoffnung es auflösen zu können. Das zieht einen aber aus der Welt heraus und lässt die Immersion verblassen.

Das meist positive Spielgefühl wiegt diese Kritikpunkte auf, sodass der Gesamteindruck empfehlenswert ist, wenn man sich darauf einstellen kann, kein konkretes Spielziel zu haben und die offene Welt frei zu erkunden. Auch die Bereitschaft längere Textpassagen zu lesen, um ausgehend von der vorliegenden Situation Entscheidungen zu treffen, sollte vorhanden sein. Mechanisch passiert eigentlich immer dasselbe, doch zieht einen die Geschichte einen einfach in ihren Bann und es macht Spaß die Gegend zu erkunden, Personen zu treffen und Tests auszuführen, um die Geschehnisse zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Wertungsnote 5/6

Verlag: Frosted Games
Autor(en): Adam Sadler, Andrew Fischer, Andrew Navaro, Brady Sadler, Brooks Flugaur-Leavitt
Erscheinungsjahr: 2023
Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
Dauer: 90 – 120 Minuten

Vielen Dank an Frosted Games für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


Revive

Revive Cover
Revive – Cover / Foto: Pegasus

In einer postapokalyptischen Welt zieht sich bei Revive das Eis vom Planeten zurück und verlockt die Menschheit dazu sich wieder an die Erdoberfläche zu trauen. In diesem Expertenspiel schlüpfen die Spieler in die Rolle eines Stammes, entdecken das Land, errichten Gebäude und senden ihre Bevölkerung zu bereits bewohnten Orten aus. Dabei bauen sie stetig ihre Spielertableaus aus, um aus den maximal zwei Aktionen pro Zug das Beste herauszuholen und die meisten Siegpunkte zu generieren.

Spielablauf:

Geheimnisvolle Artefakte sind es, welche die Spieler bei Revive einsammeln wollen, denn mit diesen lassen sich die Siegpunkte vervielfachen, die man durch eine persönliche Artefaktkarte für drei persönliche Vorgaben bei Spielende erhält. Es gibt mehrere Wege solche Artefakte zu erhalten. Über das Entdecken neuer Gelände bekommt man zusätzliche Karten und Siegpunkte. Die Siegpunktleiste hält während der Partie Belohnungen bereit, so gelangt man beispielsweise an Artefakte.

Revive Spielsituation 3 Spieler
Revive – Spielsituation 3 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Vom eigenen Stammestableau möchte man die Bevölkerung in die Ortschaften bekommen, um zunächst Fähigkeiten freizuschalten und später auch Artefakte oder weitere Sofort-Boni zu erhalten. Die Gebäude errichtet man, um auf den Technologieleisten voranzuschreiten, wenn man sich angrenzend zu Wald, Gebirge oder Steppe platziert. Über die Technologieleisten kann man ebenfalls an Artefakte gelangen. Außerdem lassen sich dort Maschinen platzieren, deren Effekte Energie benötigen.

Revive Spielsituation 2 Spieler
Revive – Spielsituation 2 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Für all diese Aktionen sind Ressourcen erforderlich. Zusätzlich zu Zahnrädern, Büchern und Nahrung gibt es Kristalle, die auch als Joker verwendet werden dürfen. Ressourcen erhält man vor allem über Karten, welche an die Aktionsslots der Spielertableaus gespielt werden. Die Karten sind so gestaltet, dass sie verschiedene Effekte bieten, je nachdem in welcher Ausrichtung, man sie an einen passenden Aktionslot spielt. Diese Aktionsslots können mit Slot-Plättchen verbessert werden, um zusätzliche Fähigkeiten beim Aktivieren auszulösen.

Revive Spielplan
Revive – Spielplan / Foto: Brettspielpoesie

Kann oder möchte man keine Aktionen auszuführen, gibt es die Möglichkeit zu überwintern. Dabei werden die Aktionsslots wieder frei, man bekommt Karten zurück und die Energie von den Maschinen, um sie erneut einsetzen zu können.

Revive Spielertableau
Revive Spielertableau / Foto: Brettspielpoesie

Zum Einstieg lässt sich eine kleine Kampagne spielen, welche einige Detailregeln erst nach und nach einführt. Dabei erfährt man auch einige Details über die Hintergründe, was mit der Welt geschehen ist.

Meinung:

Revive schafft aus der Kombination bekannter Mechanismen ein gelungenes Expertenspiel. Mir gefällt es sehr, wie man im Laufe einer Partie immer mehr Sonderfähigkeiten und Boni triggern kann. Am Höhepunkt kommt das Ende meist viel schneller, als es einem lieb ist, weil man die eigene Maschine gerne noch so richtig auskosten wollen würde. Es ist aber auch ein ziemlich geniales Gefühl, wenn es gelingt in einem einzelnen Zug gleich zwei oder gar drei Artefakte einzusammeln.

Die Kampagne zum Einstieg, bei der in jedem Kapitel neue Regeln und neues Spielmaterial hinzukommt, fand ich gelungen, da ich immer ein paar Partien benötige, um ein solches Spiel komplett zu erfassen. Da kommt mir eine solche stufenweise Einführung gerade gelegen. Ich kann aber auch nachvollziehen, wenn andere gerne von vorne herein das komplette Spielerlebnis bevorzugen. Das Schöne ist, dass man die Kampagne spielen kann, aber nicht muss. Etwas unglücklich finde ich allerdings, dass manche Zusatzregeln nur auf den Karten der Kampagne zu finden sind und nicht in der Anleitung selber. Das macht es in späteren Partien schwieriger den Überblick zu behalten.

Die Artefaktkarten wirken leider eher unausgewogen. Manche belohnen Spielelemente, die auch an anderer Stelle belohnt werden, während man sich für andere besonders ins Zeug legen muss. Dieser Unterschied macht sich aber nicht in der möglichen Punkteausbeute bemerkbar. Obwohl sich das manches Mal ungerecht anfühlt, werde ich nicht müde weitere Partien folgen zu lassen und mich auf die jeweiligen Voraussetzungen und Möglichkeiten einzulassen. Die vielen variablen Elemente führen zu ganz unterschiedlich verlaufenden Partien. Es macht Spaß die verschiedenen Völker und ihre speziellen Fähigkeiten zu entdecken und daran die eigene Strategie anzupassen. Revive ist für mich in diesem Jahrgang bereits jetzt schon ein Highlight im Expertenspielbereich.

Wertungsnote 6/6

Verlag: Aporta Games / Pegasus Spiele
Autor(en): Helge Meissner, Eilif Svensson, Anna Wermlund, Kristian Amundsen Østby
Erscheinungsjahr: 2023
Spieleranzahl: 1 – 4 Spieler
Dauer: 90 – 120 Minuten

Vielen Dank an Pegasus für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


Tribes of the Wind

Tribes of the Wind Cover
Tribes of the Wind – Cover / Foto: Huch!

Auch bei Tribes of the Wind wurden große Teile der Erdoberfläche in einer postapokalyptischen Zukunft unbewohnbar. Dieses Mal war eine neue Art der Umweltverschmutzung der Grund dafür, fast alles Leben auszulöschen. Einige versprengte Gruppen haben in unversehrten Wäldern überlebt und sich in Baumkronen gerettet. In die Rolle solcher Gruppen schlüpfen die Spieler, entfernen Verschmutzung, errichten Wälder als Heimat für ihre Baumhäuser und Tempel.

Spielablauf:

Um diese Ziele zu erreichen, bieten die Elementkarten allerlei Effekte. Man kann einen solchen Effekt einer eigenen Karte nutzen, wenn man eine der angegebenen Vorgaben erfüllt. Diese beziehen sich nicht nur auf die eigenen Karten, sondern oft auch auf die der beiden Personen links und rechts von sich. Man möchte vielleicht mehr oder weniger eines bestimmten Symbols haben, als die Nachbarn oder der Ertrag erhöht sich mit jedem Symbol. Dabei helfen die Kartenschienen, in denen man die fünf Handkarten nebeneinander unterbekommt, sodass die anderen die Rückseiten und damit die zugeordneten Elemente jederzeit schnell erfassen können.

Tribes of the Wind Spielsitation2p
Tribes of the Wind Spielsituation 2 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Nicht nur die Belohnungen für errichtete Tempel sind bei den Charakteren asymmetrisch, auch die speziellen Fähigkeiten der Anführer und die Bedingungen, um diese freizuschalten. Die Karteneffekte helfen dabei Umweltverschmutzung zu entfernen, Wasser zu sammeln, dieses in einen Wald einzutauschen oder Himmelsreiter von Ort zu Ort zu bewegen. Alternativ dazu eine Karte auszuspielen, kann man Tempel oder Dörfer errichten. Für einen Tempel gibt man drei beliebige Handkarten ab und erhält den angegeben Sofortbonus, der sich bei den den Tableaus der verschiedenen Charaktere leicht unterscheidet.

Tribes of the Wind Spielsituation 5 Spieler
Tribes of the Wind Spielsituation 5 Spieler / Foto: Brettspielpoesie

Hat man genügend Windreiter auf einem Waldplättchen, kann als Aktion ein Dorf errichtet werden. Dabei bekommt man einen Bonus des Plättchens und darf ein Baumhaus darauf platzieren. Zusätzlich wählte man eine der offenen Dorfkarten, bei der man sich zwischen einer persönlichen Spielendewertung und einem Sofort-Bonus entscheiden muss. Das Spielende wird getriggert, sobald jemand sein letztes Baumhaus platziert hat.

Tribes of the Wind Spielertableau
Tribes of the Wind Spielertableau / Foto: Brettspielpoesie

Bei der umfassenden Endwertung gibt es Siegpunkte, wenn man bestimmte Spielelemente besonders gut erreicht hat. Man möchte möglichst wenige Felder mit Verschmutzung haben, stattdessen viele Wälder. Auch Tempel und Baumhäuser können Punkte einbringen, genau wie die Dorfkarten, wenn man ihre Vorgabe erfüllt. Für das Auslösen des Spielendes gibt es zusätzliche Siegpunkte.

Meinung:

Auch Tribes of the Wind ist im Grunde ein Rennspiel, denn idealerweise löst man das Spielende aus, während die anderen noch viel vorhaben, man selbst aber schon gut punktet. Verpasst man diesen Moment, was besonders in den ersten Partien passieren kann, wirkt es fast belanglos, da dann nur Nuancen über Sieg oder Niederlage entscheiden, wenn fast alle alles umfassend erreicht haben. Mit etwas Spielerfahrung verlaufen die Partien spannender und der Rennfaktor sticht weiter heraus.

Mir gefällt die Wahl neuer Handkarten, da man in der Auslage nur das zugehörige Element ablesen kann und daher die grundlegende Richtung kennt, aber nicht die konkrete Aktion und ihre Bedingungen. Daher ermöglichen die eigenen Karten es auch nicht immer, sinnvolle Aktionen auszuführen. Für diesen Fall gibt es die Möglichkeit einen Tempel zu errichten und dabei Karten auszutauschen. Damit sich dies nicht wie ein vergeudeter Zug anfühlt, werden auch platzierte Tempel belohnt. Wenn man diese Punkte mitnehmen möchte, muss man irgendwann Karten austauschen. Das wirkt alles gut durchdacht.

Dass für das Erfüllen von Aufgaben die eigenen Handkarten und die der anderen herangezogen werden, fühlt sich erfrischend neuartig an. Im Spiel zu zweit wird dies wunderbar simuliert, indem die offene Auslage herangezogen wird. Das bietet ganz neue taktische Möglichkeiten, da man mit der Wahl von Karten aus der Auslage ebenfalls direkt die Optionen des Gegenübers verändert.

Auch wenn der Spielmechanismus sich gut dazu eignet, zu fünft zu spielen, wird dies logistisch eine kleine Herausforderung. Denn an einer Tischseite können kaum zwei Personen sitzen ohne sich in die Karten schauen zu können. Dabei soll man ja eigentlich nur die Symbole auf den Rückseiten der Karten sehen und nicht auch noch die Aktionen, welche die Person auslösen könnte. Diese sollte man viel eher gut erahnen können, da man durch die eigene Entscheidung für eine Karte auch die Optionen der Sitznachbarn beeinflusst. Hat man ausreichend Platz für eine Partie Tribes of the Wind, bekommt man ein gut funktionierendes Kennerspiel mit einer frischen Art der Interaktion, in einem sonst eher solitären Spiel.

Wertungsnote 4/6

Verlag: La Boite de Jeu / Huch!
Autor(en): Joachim Thome
Erscheinungsjahr: 2023
Spieleranzahl: 1 – 5 Spieler
Dauer: 45 – 90 Minuten

Vielen Dank an Huch! für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


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3 Antworten auf „SPIEL’23 – Spieleindrücke Teil 2“

Hallo Ben,
die Sticker sind super und ein toller Service von Frosted Games, absolut nicht negativ. Aber bei jeder Unklarheit die nun aufkommt und die sich nicht mit der beiliegenden Anleitung bzw. dem Story-Buch klären lässt, geht man auf die Suche. Auf eurer Webseite findet man die Dokumente Kartenupdates, FAQ und Errata und FAQ-Appendix Sticker als PDF. Letzteres lässt sich leider in dieser Form nicht mehr so einfach im Storybuch ersetzen, wie die beiliegenden Sticker. Dazu bekommt man dort aktuell die V1.3 der Anleitung, bei der ich nicht schnell erfassen kann, was sich von meiner vorliegenden Anleitung unterscheidet. Dies lösen andere Verlage z.B. durch farbliche Hervorhebungen.
Sieh es doch als Kompliment, dass mich diese Sucherei so sehr stört, weil das sonst wirklich tolle Spielerlebnis davon gestört wird. :)

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