Nach dem Ausflug zum 200-jährigen Firmenjubiläum 2022 nach Stuttgart in die Heiligen Hallen des Kosmos Verlages, ging es dieses Jahr zu den Kosmos Pressetagen wieder ins Kloster Haydau nach Morschen, das zentral mittig in Deutschland gelegen ist. Von Freitagabend bis Samstagmittag gab es dort die Möglichkeit in entspannter Runde einen Überblick über die Brettspielneuheiten des Verlags für diesen Herbst zu erhalten und ausgewählte Titel direkt anzuspielen.
Bevor jedoch gespielt wurde, lies es sich Heiko Windfelder nicht nehmen in gewohnter Weise auf das vorherige Jahr zurückzublicken. Dieses war für Kosmos mit dem Gewinn des Titels Spiel des Jahres mit Sky Team natürlich sehr erfolgreich. Der Titel hilft dem Verlag, genau wie auch vorherige Gewinner wie Cascadia oder Exit. Es wird weiterhin “kein Exit von Exit geben”, lies er in dem Zusammenhang verlauten, was für mich natürlich eine besonders schöne Aussage war. Diesen Herbst erscheint leider kein “normales” Exit-Spiel mehr, dafür gibt es sowohl von Exit, als auch den Adventure Games und sogar zu Die Crew eine besondere Family-Variante. Diese brechen die erfolgreichen Spielideen weiter herunter, um sie auch Jüngeren leicht zugänglich zu machen und für gemeinsamen Spielspaß in der Familie zu sorgen.
Er blickte auch schon auf das kommende Jahr, wo sich die Veröffentlichung von (Die Siedler von) Catan zum dreißigsten Mal jährt, was mit einigen besonderen Aktivitäten gefeiert werden soll. Auch Caesar & Cleopatra von Kosmos-Redakteur Wolfgang Lüdtke hat schon einige Jahre auf dem Buckel und bekommt dieses Jahr eine neu illustrierte Version mit kleinen Regelanpassungen spendiert.
Bei den aktuellen Trends bewährt sich das, was auch in den vergangen Jahren schon hoch im Kurs stand: Naturthemen, kooperative Spiele und sogenannte “Serious Games”, die sich spielerisch mit ernsteren Themen auseinander setzen. Thematisch ist ein sensiblerer Umgang mit realen Themen angebracht, ebenso wie der Ansatz für mehr Diversität in Spielen zu sorgen. Leider wird er selbst den weiteren Weg nicht in seiner jetzigen Position begleiten, er verlässt den Kosmos und macht den Weg frei für Brigitta Barlet und Arnd Fischer in der Programmleitung mit Fokus auf Buch bzw. Spiele und Puzzle.
Medical Mysteries: New York Emergency Room
(Rebecca Bleau und Nicolas Cravotta, 4×60 Minuten, 1-4 Personen)
Eines dieser “Serious Games” ist Medical Mysteries, welches gleich in zwei Boxen mit unterschiedlichem Inhalt verfügbar ist. In New York oder Miami geht es dabei in die Notaufnahme eines Krankenhauses und die Aufgabe besteht darin, eingelieferte Personen mit medizinischen Problemen zu retten. Dies war eine Auftragsarbeit der Autoren von Escape the Room und Break In, da Identity Games gerne einen neuen Ansatz im Genre der Detektivspiele verfolgen wollte.
Neben Befragungen der Erkrankten oder ihrer Begleitungen können verschiedene medizinische Tests durchgeführt, Spezialisten hinzugezogen und letztlich sogar medizinische Eingriffe vorgenommen werden. Dabei ist auch immer ein Blick hinter die Kulissen notwendig, um den Sachverhalt korrekt einschätzen zu können. Da kommt richtiges Dr. House-Feeling auf.
Medizinisches Fachwissen ist nicht erforderlich, das Spiel versorgt einen mit allen Informationen, die dabei helfen können, die Fälle zu lösen. Ein gewisses Grundinteresse sollte aber schon vorhanden sein. Im Umkehrschluss bedeutet das erfolgreiche Durchspielen dieser Spiele aber auch nicht, dass man danach selbst medizinische Beratung oder gar Behandlung durchführen kann. Deswegen ist extra ein Haftungsausschluss auf der Rückseite der Spielschachtel angegeben ;-)
Das Tutorial führt einen durch jeden Schritt der Maßnahmen, die man ergreifen sollte, das war für meinen Geschmack zu sehr geführt. Der erste Fall hingegen, lies sich sehr schnell erfolgreich beenden, zumindest hatte es den Anschein. Denn nach nur vier Aktionen oder so, hatten wir die Patientin durch die Nacht gerettet. Das erschien uns etwas fix, wir hatten doch vieles noch gar nicht ausprobiert. Aber das Spiel bot uns die Möglichkeit noch weitere Aktionen durchzuführen, um das Problem dauerhaft zu beheben und die Patientin nicht so schnell auf der Intensivstation wiederzusehen. Insgesamt ein spannender neuer Ansatz in dem Genre, allerdings mit einer kleinen Warnung für Personen, die bereits eigene Erfahrungen mit medizinischen Notfällen hatten, dass dieses Spiel auch etwas unangenehme Erinnerungen aufleben lassen könnte.
Faraway
(Johannes Goupy und Corentin Lebrat, 25 Minuten, 2-6 Personen)
Ein Highlight der vergangenen SPIEL war das kleine Kartenspiel Faraway, dementsprechend war es auch schnell ausverkauft. Aber durch die frühe Bekanntgabe, wusste man bereits, dass bei Kosmos eine deutsche Version erscheint, die nun verfügbar ist. Der Kniff besteht darin, dass man acht Karten in eine Reihe spielt, die dann in umgekehrter Reihenfolge gewertet wird. Für die Erfüllung von Vorgaben zählen dabei jedoch nur die Karten rechts davon bzw. sogenannte Heiligtümer auf kleineren Karten.
Wir haben es zu viert gespielt und sicherlich spielt etwas Glück eine Rolle, aber mir hat das viel Spaß bereitet. Ich mag es mich überraschen zu lassen, welche Karten sich geschickt kombinieren lassen. Ich mag auch den kleinen Knoten, der im Kopf entsteht, weil das Ausspielen in umgekehrter Reihenfolge zur Auswertung geschieht.
Kosmos wird zudem kleine Holzfiguren als Promo im Angebot haben, die zur Wertung genutzt werden können und die sprachneutrale Mini-Erweiterung Le Peuple du Dessous mit neuen Karten für das Spiel zu siebt.
The Gang
(Kory Heath und John Cooper, 20 Minuten, 3-6 Personen)
Bekannte Klassiker neu zu interpretieren und kompetitive Spielideen kooperativ auszugestalten, scheint ein anhaltender Trend zu sein. Nun ist es die Poker-Variante Texas Hold’em Passend. Passend dazu sind es Pokerchips, mit denen die Spieler auf ihre beiden Handkarten deuten dürfen. Und zwar pro Runde vier Mal hintereinander, nachdem sie mehr und mehr Karten der offenen Auslage kennen, um davon ausgehend die eigene Hand einzuschätzen.
Ich kenne zwar die grundlegende Idee von Poker, habe aber selbst nie zuvor Poker gespielt. Das ist für The Gang aber auch gar nicht nötig, durch eine Übersichtskarte bekommt man ein gutes Gefühl für die Wertigkeit der eigenen Handkarten. Und auch wenn ich bei der Auflösung immer dachte, ich hätte falsch kommuniziert, habe ich es gedanklich dann doch meist richtig gemacht. Ich wurde positiv überrascht und freue mich auf weitere kooperative Poker-Partien.
Einfach Genial 3D
(Reiner Knizia, 45 Minuten, 1-4 Personen)
Zwanzig Jahre nach der ersten Veröffentlichung von Einfach Genial, geht es bei Einfach Genial 3D nun in die Höhe. Alles andere, bleibt wie es seit 20 Jahren bekannt ist: Durch das Anlegen eines neuen Spielsteins punktet man für alle farblich passenden Reihen, die man damit bilden kann. Neu ist nur die Möglichkeit des Überbauens und die Wertung aller sichtbaren Steine über verschiedene Ebenen hinweg. Dabei unterstütz das Spielmaterial die Regeln hervorragend, da die Steine sich nicht genau übereinander stapeln lassen, sondern nur auf Hälften zweier verschiedener Steine passen.
Das restliche Spielmaterial kann damit leider nicht ganz mithalten. Die Pappständer wirken sehr wacklig und waren schon schwierig zusammenzusetzen und die Marker auf den Punktetableaus verrutschen leicht, obwohl sie bereits doppellagig sind.
Battle Royale
(Team Identity Games, 30 Minuten, 2-4 Personen)
Battle Royale ist ein Action-Spiel für die ganze Familie, nach dem “Last man standing”-Prinzip. Auf den 25 Feldern stehen Figuren aller Farben, die sich gegenseitig vertreiben können, sowohl auf angrenzende Felder, als auch über den Rand hinweg. Handkarten sowie der Doom-Würfel bestimmen die Bewegungs- und Aktionsmöglichkeiten. Wer den Eliminator drücken darf, befördert ein Plättchen mit allen Figuren darauf in die Luft. Was auf dem Spielplan landet, ist weiter im Spiel, alle anderen Figuren sind raus.
Leider können Figuren dabei leicht in die Schachtel fallen und zukünftige Bewegungen des Eliminators erschweren. Ich hatte an dem Spiel nur wenig Spaß, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es in Familien mit Kindern gut ankommt.
Cascadia – Rolling Hills
(Randy Flynn, 30 Minuten, 1-4 Personen)
Cascadia ist durch die Spiel des Jahres-Auszeichnung eine starke Marke im Verlagsprogramm, da verwundert es nicht, dass Kosmos auch die beiden Würfelvarianten Rolling Hills und Rolling Rivers herausbringt. Mit beiden Ausgaben sind sogar Partien zu acht möglich. Auf jeweils vier verschiedenen Wertungszetteln lassen sich dabei Tiere sammeln und Landschaftskarten mit bestimmten Tieranforderungen erfüllen. Würfel geben die Möglichkeiten vor, welche Tiere eingesammelt werden können. Mit Tannenzapfen lassen sich diese Optionen manipulieren.
Ich habe nur den ersten Wertungszettel von Rolling Hills gespielt, bei dem man durch das Erfüllen der Landschaften viele Boni sammeln kann. Das hat Spaß gemacht, auch wenn es vom Cascadia Spielprinzip relativ weit entfernt wirkt. Etwas nervig ampfand ich lediglich ständig die Anzahl der Tiere zu aktualisieren, weil man immer wieder welche hinzu rechnet und dann für die Erfüllung der Landschaftskarten wegstreicht. Dennoch bin ich gespannt die weiteren Wertungszettel er erkunden. Der vierte Zettel soll dann dem Cascadia Spielprinzip am ähnlichsten sein.
Australis
(Alessandro Zucchini und Leo Colovini, 45-60 Minuten, 2-4 Personen)
Am Samstag bot sich uns dann noch die Gelegenheit Australis kennenzulernen. Mit seiner Schildkröte möchte man durch den australischen Strom reisen, Korallen platzieren, Fische und Futter für diese einsammeln und sich auf Würfelwettstreite vorbereiten, die am Ende einer jeden Runde folgen.
Karten bieten die Möglichkeit die Würfel-Aktionen dauerhaft zu verbessern und sich dadurch einen Vorteil zu verschaffen oder die Werte der Kampfwürfel zu erhöhen. So lassen sich über Aktionen Siegpunkte sammeln, am Ende einer jeden Runde punkten aber auch Korallen mit einer klassischen Mehrheitenwertung, gesättigte Fische und die Positionen der Schildkröten. Diese ist auch entscheidend um Gleichstände aufzulösen.
Denn im eine jede Runde abschließenden Wettstreit geht es darum als letzte Person übrig zu bleiben. Dafür würfelt jeder seine Kampfwürfel und die mit kleinstem Wert fallen jeweils raus. Belohnt wird der erste und zweite Platz mit Punkten oder Futtermarkern. Insgesamt entsteht daraus gelungenes Familienspiel mit passender Kombination auf Würfelglück und strategischem Anteil, wobei das Würfelglück auch anstrengend empfunden werden kann, wenn es einem nicht hold ist.
Ausblick
Pünktlich vor der SPIEL’24 hat Kosmos auch die ersten Neuheiten für das folgende Jahr bekannt gegeben: Zu Faraway bringen sie die Erweiterung Völker der Tiefe und zu Sky Team die Erweiterung Turbulenzen mit zwanzig neuen Szenarien. Zusätzlich werden sie Castle Combo von Catchup Games, Nocturne von Flatout/AEG und Cities von Devir lokalisieren. So kann nun jeder selbst entscheiden, ob man die Spiele in Essen direkt kaufen oder auf die schon bald erscheinenden deutschsprachigen Versionen warten möchte.
Wieder einmal waren die Kosmos Pressetage eine schöne Gelegenheit mit anderen Medienschaffenden zusammen zu kommen, interessante Gespräche zuführen und vor allem neue Spielideen zu entdecken.
Eine Antwort auf „#kosmospt24“
“Thematisch ist ein sensiblerer Umgang mit realen Themen angebracht, ebenso wie der Ansatz für mehr Diversität in Spielen zu sorgen. ”
OMG