NEOM – Erbaue die Stadt der Zukunft

NEOM Cover
Cover / Foto: Lookout Spiele

NEOM ist nicht etwa der Name einer völlig fiktiven Stadt aus dem Geiste des Autors oder des Verlags, sondern ein real geplantes Bauprojekt in Saudi-Arabien und bedeutet übersetzt so viel wie Neue Zukunft. Der daran anschließende Technologiepark soll auf einer Fläche so groß wie Mecklenburg-Vorpommern entstehen und und dafür sorgen Saudi-Arabien unabhängiger vom Öl zu machen. Doch das Projekt erntet viel Kritik, sowohl die Finanzierung, als auch die Akzeptanz der Bürger ist bisher vollkommen unklar, es gibt bislang nur aufwändig inszenierte Werbevideos. Von daher ist es eher verwunderlich, diesen Titel für ein aktuelles Spiel zu wählen, das könnte auch in die Hose gehen. Die Grundidee passt aber wie die Faust aufs Auge, jeder Spieler arbeitet an seiner eigenen Version einer neuen Stadt. Einer Stadt, die aus bekannten Spielelementen entsteht, die man so oder so ähnlich bereits in einem anderen Spiel gesehen hat…

Spielmaterial:

Für bis zu fünf Spieler gibt es sechs unterschiedliche Spielertableaus, mit jeweils einem anderen Abbaugebiet in der Mitte von dem drei oder vier Wege abzweigen. Jeder Spieler erhält zudem kleine Marker aller im Spiel befindlicher Waren. 150 Gebäudeplättchen, und 65 Geldmünzen sind genauso enthalten wie ein praktischer Wertungsblock.

NEOM Spielertableau
Spielertableau / Foto: Brettspielpoesie

Spielmechanismus:

In drei Zeitaltern werden Gebäude gedraftet, nach jeder Wahl eines Plättchen wird selbiges auf dem eigenen Spielplan eingebaut. Die Ausrichtung entspricht dabei der Leserichtung, die Plättchen dürfen nicht, wie in anderen Spielen, beliebig gedreht oder gewendet werden. Zudem dürfen Plättchen nur angelegt werden, wenn ihr Weg zum Startgebäude in der Mitte des Tableaus führen. Alternativ kann ein ausgewähltes Plättchen abgelegt werden, um eines der zu Beginn der Partie ebenfalls gedrafteten Ankergebäude zu errichten oder auch um zusätzliches Geld zu erhalten. Manche Gebäude kosten Geld oder man muss passende Waren vorweisen können, wenn sie platziert werden. Wer über einen Rohstoff oder Handels- bzw Luxusgut nicht verfügt, kann bei einem Mitspieler einkaufen, der es abbaut. Das wird günstiger, wenn man eine Handelsstraße zu ihm hat, also eine Straßenverbindung zum linken oder rechten Ende des Spielplans. Die Kosten für eine Ware hängen von ihrem Verarbeitungsgrad ab. Möchte man einen Rohstoff von einem Spieler nutzen, der nicht neben einem sitzt, muss man eine zusätzliche Münze für den weiten Weg bezahlen. In jeder Epoche bleibt ein Plättchen übrig und wird aus dem Spiel genommen. Im Anschluss kommt es zur Einkommensphase, manche Gebäude produzieren nun Geld.

NEOM Spielertableau
Spielertableau / Foto: Brettspielpoesie

Ein Mal pro Epoche kann es zu einer Katastrophe kommen. Dies ist eines der Plättchen und kann von einem Spieler gewählt werden, er darf dabei in diesem Zug keine andere Aktion ausführen. Dafür wird er selbst von der Katastrophe nicht betroffen, alle Mitspieler müssen für bestimmte Gebäude bezahlen oder welche davon abwerfen, wenn sie sich nicht mit anderen Plättchen zum Teil davor geschützt haben. Die anderen Plättchen sind Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Industriegebiete, öffentliche Gebäude und Abbaugebiete, die nach ihren eigenen Regeln Punkte, Geld oder Waren einbringen. Besonders die öffentlichen Gebäude unterscheiden sich sehr, mit manchen von ihnen kann man sich vor bestimmten Katastrophen schützen, sie können auch zusätzliche Möglichkeiten bieten an Punkte zu gelangen oder einfach Vorteile im weiteren Spielverlauf einbringen.

NEOM Spielsituation
Spielsituation / Foto: Brettspielpoesie

Spielende:

Nach der dritten Runde endet die Partie mit der Wertung. Für diese ist der Wertungsblock sehr hilfreich, um alle Elemente zu beachten. Um Minuspunkte zu vermeiden sollte die Stadt mindestens ein Kraftwerk und zwei Wohngebäude haben. Einige Gebäude, wie z.B. Fabriken, verursachen schlechte Luft, solche Gebäude liegen idealerweise nicht genau neben Wohngebäuden, um Minuspunkte zu vermeiden. Pluspunkte gibt es für das erwirtschaftete Geld, Ressourcen bzw. Waren im eigenen Besitz, für manche Gebäude und für Wohngebiete in Abhängigkeit ihrer Größe. Der Spieler, der insgesamt die meisten Punkte erzielen konnte, gewinnt die Partie.

Spieleranzahl:

NEOM funktioniert mit jeder Spielerzahl. Ab vier Spielern werden die Ressourcen ggf. teurer, wenn sie nur von einem Spieler abgebaut bzw. produziert werden und dieser weit entfernt sitzt. Auch alleine kann man um einen Highscore spielen, das hat mich allerdings nicht gereizt und wurde daher von mir nicht ausgetestet.

Spiele mit Drafting-Mechanismus funktionieren in der Regel nicht gut zu zweit. Daher wird hier in Partien zu zweit einfach auf das Draften verzichtet, stattdessen werden pro Runde sieben kleine Stapel gebildet, aus denen die Spieler nacheinander abwechselnd wählen dürfen. Es ist immer mindestens ein Plättchen mehr vorhanden, sodass auch der zweite Spieler noch eine kleine Auswahl hat. Das funktioniert super. Die Spieler sind beim Einkauf fehlender Rohstoffe viel freier, da diese von Beginn an alle von der Bank gekauft werden können.

Glücksfaktor?

Bei der zufälligen Verteilung der Plättchen spielt natürlich Glück hinein, ob man die Plättchen bekommt, die zur eigenen Strategie passen. Durch das Drafting wird der Glücksfaktor eingedämmt, dann entscheidet nicht alleine das glückliche Ziehen, sondern die Spieler können auch Einfluss auf die Plättchenverteilung nehmen. Selbst wenn sie selber mit einem Plättchen wenig anfangen können, bleibt die Option es abzuwerfen. Gerade zu Beginn einer Partie kann es passieren dass bestimmte Gebäude noch gar nicht gebaut werden können, wenn kein Spieler die notwendige Ware produziert.

Fazit:

Der Einstieg in NEOM ist nicht ganz leicht, selbst wenn man 7 Wonders bereits kennt. Das liegt vor allem an den verschiedenen Gebäuden mit ihren speziellen Funktionen. Diese sind recht klein auf den Plättchen abgedruckt und zudem von der Symbolik nicht unbedingt selbsterklärend. Dadurch muss in den ersten Partien noch häufig zur Anleitung gegriffen werden, denn nur darin stehen die Gebäude kurz erläutert. Das wird durch das Draften noch zeitaufwändiger, da sich meist alle die gleichen Gebäude nacheinander durchlesen müssen. Da empfiehlt sich zunächst zu zweit das Spiel zu erkunden, da dann die aufgedeckten Plättchen von beiden Spielern gemeinsam gelesen werden können. Doch wenn man nach ein paar Partien drin ist, kennt man die Fähigkeiten ganz gut und dann spielt sich NEOM wirklich flüssig und flott. Thematisch finde ich das Spiel in Bezug auf den Untertitel fast ein wenig zu flach. Ja, wir bauen jeder eine neue Stadt, aber mit doch sehr gewohnten Elementen. Das ist nicht wirklich das, was man von einer Stadt der Zukunft zu träumen wagt und da hätte der Verlag ruhig etwas mehr futuristisches einbauen dürfen, wie es das Schachtelcover fast schon anteasert.

NEOM zeigt diverse Parallelen zu 7 Wonders, das ist nicht von der Hand zu weisen, doch es bietet auch ausreichend zusätzliche Elemente, um ein neues Spielgefühl zu erzeugen. Das kleine Puzzleelement, auf dem eigenen Tableau die Gebäude gekonnt zu platzieren, um die vielen Siegpunktmöglichkeiten gut zu erfüllen und dabei zugleich die Straßen miteinander zu verbinden, ist durchaus interessant und alles andere als trivial. Die wertvolleren Gebäude haben nämlich in der Regel weniger Anbindungen und sind damit nicht so flexibel zu platzieren, wie andere. Siegpunkte gibt es gefühlt für alles hier und da, doch so richtig gut belohnt wird man erst, wenn man sich spezialisiert. Es gibt mehrere verschiedene Siegstrategien anhand der Ankergebäude, die allesamt zum Sieg führen können. Auch bei den Spielertableaus ist zum Start ein wenig Varianz, auf zweien sind dabei nur drei Wege von der Mitte ausgehend, bei diesen sollte man aufpassen sich nicht aus Versehen den halben Spielplan abzuschneiden.

Interaktion ist durch das Drafting gegeben und durch den Zukauf von Ressourcen, aber auch durch die Katastrophen. Sie sind das einzige destruktive Element in diesem Spiel, führen aber auch zu interessanten Entscheidungen. Spiele ich es und verzichte damit auf ein Plättchen für meine Stadt oder kalkuliere ich den negativen Effekt ein und gebe es weiter. Beides kann sinnvoll sein, genau wie man auch abwägen muss, ob manche Punktabzüge für fehlende Bebauungen bei Spielende in Kauf genommen werden können, wenn man mit alternativen Plättchen so viel mehr Punkte generiert. Die Katastrophen können auch gar nicht ausgelöst werden, doch die Erfahrung zeigt, dass dies eher die Ausnahme und nicht die Regel ist. Irgendwer wird es schon machen, entweder um selbst nicht der Betroffene zu sein oder einfach um die Mitspieler ein wenig auszubremsen. Auch nach diversen Partien hat NEOM für mich noch nichts von seinem Reiz verloren, ich würde mich immer wieder gerne einer Partie hingeben.

Wertungsnote 5/6

Verlag: Lookout Spiele / Vertrieb: ASS Altenburger
Autor(en): Paul Sottosanti
Erscheinungsjahr: 2018
Spieleranzahl: 1 – 5 Spieler
Dauer: 45 Minuten

Vielen Dank an ASS Altenburger für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

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