Watson & Holmes

Watson & Holmes Cover
Cover / Foto: Brettspielpoesie

Ich liebe die Geschichten rund um Sherlock Holmes, den fiktiven Meisterdetektiv des 20. Jahrhunderts. Sie sind immer spannend, mit interessanten Wendungen und so manches Ende sorgt für jede Menge Überraschung. Ob im Film oder einer der vielen Serien, ich rätsele vor der Mattscheibe immer mit. Dieses Miträtseln als Konzept für ein Spiel zu nehmen, wurde bereits in den 80ern erfolgreich umgesetzt und sogar mit dem Titel Spiel des Jahres prämiert. Dabei ging es kooperativ zu, doch das hat nun ein Ende. Denn seit 2015 können Spieler gegeneinander antreten, um zu ermitteln, wer nun wirklich in die Fußstapfen des Meisterdetektivs steigen sollte. Zunächst beim spanischen Verlag Ludonova erschien das Spiel nur auf spanisch und englisch. In Essen konnte man es anspielen, es sah auch wirklich interessant aus, doch der immense Textanteil lies mich davon Abstand nehmen. Doch nun haben die Space Cowboys die Zügel in die Hand genommen und unter anderem auch eine deutsche Version veröffentlicht.

Spielmaterial:

Das Spielmaterial ist sehr hochwertig. Das beginnt beim Spielkarton, einem edlen Pappschuber, geht bei den großformatigen Fallakten weiter bis hin zu den 206 Ortskarten, die nach Fallnummer vor der ersten Partie in die mitgelieferten Umschläge gesteckt werden sollen. Dann muss für eine Partie nur die gewünschte Fallakte mit dem zugehörigen Umschlag entnommen werden. Jeder Spieler erhält eine Spielfigur mit Standfuß und einen gleichfarbigen Spielermarker. Weiterhin sind einige Stanzteile (diverse Marker) und einige fallübergreifende Karten enthalten.

Watson & Holmes Umschlag
Umschlag / Foto: Brettspielpoesie

Spielmechanismus:

Pro Partie werden alle Ortskarten zu einem Fall verdeckt ausgelegt. Es beginnt mit der Fallbeschreibung, die auf der Fallakte zu lesen ist. Noch atmosphärischer wird es, wenn die online verfügbare Audio-Datei abgespielt wird, um die Spieler auf den Fall einzustimmen. Zu jedem Fall werden diverse Fragen gestellt, deren Auflösung die Aufgabe der Spieler ist. Zudem kann es zu jedem Fall gewisse Sonderregeln geben.

Watson & Holmes Spielkarton
Spielkarton / Foto: Brettspielpoesie

Der Spielmechanismus einer Runde ist recht schlicht und einfach gehalten: Erst suchen sich die Spieler nacheinander einen der ausliegenden Orte aus, anschließend besucht jeder Spieler den gewählten Ort, indem er die Ortskarte auf die Hand nimmt und durchliest. Natürlich kann man sich dazu Notizen machen. Es kann passieren, dass mehrere Spieler in einer Runde den selben Ort besuchen wollen. Mittels Droschkenmarker können sich die Spieler gegenseitig vertreiben und zwar so lange bis Spieler einknicken und einen anderen Ort wählen. Wenn die Marker ausgehen, muss diese Option gewählt werden. Jeder Spieler erhält eine zufällige Charakterkarte, die dem Spieler ein Mal pro Partie drei Droschenmarker oder einen dauerhaften Bonus einbringt. Manche Orten können mit Polizeimarkern versehen werden, damit andere Spieler erst Marker investieren müssen, um diesen Ort dennoch besuchen zu können oder wieder dauerhaft für alle freizugeben. Über anderen Orten kann man in den Besitz von diesen Markern oder Droschkenmarkern gelangen. Droschkenmarker können auch verwendet werden, um mit Watsons Hilfe einen Spieler aufzufordern seine Karte laut für alle vorzulesen.

Watson & Holmes Spielsituation
Spielsituation / Foto: Brettspielpoesie

Wenn ein Spieler meint, die Lösung zu kennen, begibt er sich zur Baker Street 221B, um seine zuvor aufgeschriebenen Lösungen zu überprüfen. Bei jeder Antwort ist ein gewisser Teil fett markiert, dies ist der entscheidende Teil, welcher korrekt benannt sein muss. Wurden alle Antworten korrekt nieder geschrieben, endet die Partie, ansonsten spielen die anderen Spieler weiter. Ab sofort mimt dann der ausgeschiedene Spieler Sherlock und seine Beratung kann gegen Droschkenmarker in Anspruch genommen werden.

Spielende:

Das Spiel endet, sobald ein Spieler alle Fragen korrekt beantworten kann. Dieser Spieler gewinnt damit die Partie. Natürlich kann man sich darauf einigen, weiter zu spielen, bis alle Spieler ihre Lösung parat haben. Alternativ endet die Partie, wenn alle Spieler ihre Antworten abgegeben haben, aber niemand richtig lag. Nach Abschluss beginnt in der Regel der kommunikative Teil, mit viel Diskussion um die ganzen Zusammenhänge und Sackgassen.

Spieleranzahl:

Für zwei bis sieben Spieler ist eine große Spannweite. Wie zu befürchten ist, können nicht alle Spielerzahlen gleich gut bedient werden. Zu zweit kann man sich locker aus dem Weg gehen, dann gibt es fast keinen Grund um die Präsenz an einem Ort zu kämpfen. Dann lebt das Spiel nur von der Geschichte, der Mechanismus kommt dann kaum noch zum Tragen. Ab vier Spielern entfaltet sich erst das gesamte Spiel, bei dem auch Verdrängung und Sperrung bestimmter Orte eine größere Rolle spielen, entweder um die Mitspieler von einer Information fernzuhalten oder um einen nichtssagenden Ort populär zu machen. Mit mehr als fünf Spielern habe ich es nicht gespielt und habe dies auch nicht vor. Zu fünft kann es sich schon etwas in die Länge ziehen, wenn die Mitspieler zu viele Notizen machen und zu unsicher sind, sich auf eine Lösung festzulegen.

Glücksfaktor?

Die Intention des Spiels ist es anhand der Hinweise relevante Orte zu besuchen, um an weitere Hinweise und schlussendlich zur Lösung zu gelangen. Es könnte sicherlich passieren, dass ein Spieler zufällig genau die Orte in optimaler Reihenfolge besucht, die ihm am effektivsten zur Lösung helfen, dann war das eine glückliche Fügung. Dennoch steht die Lösung meist nicht im Wortlaut auf den Ortskarten, es muss meist schon noch ein wenig kombiniert werden.

Fazit:

Ich fühle mich hin und her gerissen. Ich mag die Geschichten und den Versuch aus den vielen Hinweisen die Richtigen zu kombinieren, um den Fall zu lösen. Im Idealfall schneller als meine Mitspieler. Aber genau dieser Konkurrenzkampf fühlt sich auch ein wenig fehl am Platz an, er verleitet dazu, Orte bewusst zu übergehen und ohne Kenntnis aller Details den Fall lösen zu wollen, um die Partie zu gewinnen. Wenn das klappt, ist die Freude darüber groß, wenn nicht ärgert man sich sehr, nicht weiter geschaut zu haben.

Wer bei der maximalen Spieleranzahl glaubt, es wäre ein gutes Party-Spiel, da bis zu sieben Spieler dabei sein können, den muss ich enttäuschen. Es ist eher ein sehr, sehr ruhiges Spiel, die Spieler lesen im Geheimen ihre Karten und machen Notizen, während einer Partie wird eigentlich kaum gesprochen. Dafür hinterher, wo es welche Hinweise gab und wie man daraus die Lösung hätte konstruieren können. Aber dann ist in der Regel auch schon mindestens eine gute Stunde Spielzeit nahezu schweigend vorüber gegangen. Man ärgert sich vielleicht ab und an mal über die Ortswahl der Mitspieler, versucht sie möglicherweise auch zu verdrängen, aber insgesamt doch ein wirklich stilles Spiel. Auch die Hilfe von Watson wurde bei uns kaum in Anspruch genommen, da es uns nur selten sinnvoll erschien, Marker zu investieren, um alle Spieler an weitere Informationen gelangen zu lassen.

Wir haben noch nicht alle Fälle durch, wollen das Spiel noch länger genießen können, doch die wir bisher erlebt haben, machen von den Geschichten dahinter Lust auf mehr. Es war auch noch kein Fall dabei, der uns hanebüchen erschien, alles kann anhand der Auflösung nachvollzogen werden. Schade finde ich nur, dass es die Auflösung nicht auch als Audio-Datei gibt, so wie die Einleitung zu Beginn. Sobald man die Auflösung aller 13 Fälle kennt, gibt es keinen Grund, das Spiel erneut zu spielen, schließlich kennt man die Lösung. Zumindest für die kommenden Jahre oder Jahrzehnte, je nach Gedächtnisleistung ;-) Ich finde es nicht schlimm, keinen unendlichen Wiederspielreiz zu haben. Eher sehe ich es als ein weiteres Spiel, bei dem man nicht traurig sein muss, es nicht häufiger auf den Tisch zu bekommen. Für mich ist Watson & Holmes ein Muss für alle Sherlock-Fans, die einfach nicht genug von Geschichten rund um den berühmten Meisterdetektiv bekommen können, denn diese sind es wert gehört zu werden. Und das Gefühl einen Fall durch Kombination der Hinweise selbst zu lösen, ist großartig. Es benötigt aber definitiv die richtige Gruppe, die sich auf solch ein doch sehr solitäres Rätseln und viel Ruhe und Konzentration am Spieltisch einlassen kann.

Wertungsnote 4/6

Verlag: Space Cowboys / Vertrieb: Asmodee
Autor(en): Jesús Torres Castro
Erscheinungsjahr: 2018
Spieleranzahl: 2 – 7 Spieler
Dauer: 45 – 75 Minuten

Vielen Dank an Asmodee für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

Ähnliche Artikel:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert