Unter Schafen 04/22

Es ist schon erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht. Gefühlt habe ich gestern erst den letzten Monatsrückblick geschrieben, da steht schon der nächste an. Auch im April habe ich leider viel weniger Zeit zum Blogartikel schreiben gefunden, als mir lieb ist, daher bleibt mein Vorsatz bestehen: Mehr Zeit fürs Schreiben finden, um euch viele weitere tolle Titel vorstellen, die in den letzten Wochen und Monaten gespielt werden konnten. Heute muss ich jedoch leider mit einer traurigen Nachricht starten, bevor ich auf den ursprünglich geplanten Pegasus Pressetag eingehe. Darauf folgen wieder erste Eindrücke vom Auspöppeln und Anspielen mancher Titel, über die ich dann hoffentlich schon bald ausführlicher berichten kann.

Mäh! - News und Aktuelles

Wieland Herold

Leider ist im April einer große Persönlichkeit der Brettspielszene von uns gegangen. Der Spielekritiker Wieland Herold, der fast 25 Jahre teil der Spiel des Jahres-Jury war, ist mit 71 Jahren verstoben. Brettspiele haben ihn sein Leben lang begleitet, er war aktiv als Förderer von Spieleautoren und war immer offen für einen kurzen Schnack, wenn man ihn auf einer der vielen Brettspielveranstaltungen traf. In meinem ersten Jahr als Rezensent auf der SPIEL in Essen wurde ich direkt zum Spieleabend der Spiel des Jahres-Jury eingeladen und saß mit ihm an einem Tisch zum Spielen. Das war meine erste Begegnung mit ihm und es sollten viele weitere folgen. Wir kommen beide aus Norddeutschland und er hatte auch familiäre Beziehungen zu meiner Heimatregion, was immer ein guter Aufhänger für ein Gespräch war.

Beim Tag der Brettspielkritik in Hamburg 2019 hatte er sogar extra ein entwickeltes Foto für mich dabei. Er kannte meine Liebe zu Schafen (in Spielen) und daher hatte er ein Foto für mich von Wolli, das verlorene Schäfchen dabei. Also nicht als digitale Version auf dem Handy, sondern wirklich auf Fotopapier. Und er hat zu Hause an mich gedacht und es mit nach Hamburg gebracht. Was für eine Ehre! Dieses Kinderspiel aus dem Jahr 1998 bietet sicherlich nicht das beste Spielkonzept, aber zum Spielmaterial gehört ein kleines Plüschschaf. Und tatsächlich konnte ich im Nachgang noch ein Exemplar davon ergattern. Jetzt wird es erst Recht einen Platz in meinem Herzen behalten und für immer mit dem Gedanken an Wieland verbunden sein.

Mein aufrichtiges Beileid gehört seinen Familienangehörigen. Es freute mich in einem Post seines Sohnes Florian zu lesen, dass Wieland vor seinem Tod bestätigen konnte, das alles gesagt sei und nichts mehr offen wäre. Es tut gut zu wissen, dass er diese Welt friedvoll verlassen konnte, wenn auch viel zu früh.

Pegasus Pressetag

Pegasus hat seinen Online-Pressetag in diesem Frühjahr zeitlich etwas von der Spielwarenmesse gelöst. Zu wenige neue Spiele waren Ende Januar bereits vorhanden, denn auch Pegasus ist nicht von den globalen Einschränkungen verschont geblieben und hat Lieferverzögerungen zu beklagen. Das Online-Event sollte Anfang April statt finden, die Pakete mit einigen Spielen und kleinen österlichen Aufmerksamkeiten waren bereits versendet, doch dann musste der Verlag die Veranstaltung schweren Herzens absagen. Zu viele Mitarbeitende waren erkrankt, sodass eine technisch reibungslose Durchführung kaum umzusetzen war.

Es gab einige zuvor aufgezeichnete Videos zum anschauen und einige digitale Informationen zu den anstehenden Neuheiten des ersten Halbjahres. Rieke von Hidden Games plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen, wie die Tatort Krimispiele entstanden sind und was in nächster Zeit noch so geplant sei. Beim Vertrieb können sie seit diesem Jahr auf die Unterstützung von Pegasus Spiele zählen. Es wird neben einem zweiten Teil von Charlies Reise, dem Adventskalender, natürlich auch weitere Krimispiele geben.

Die meisten Titel der Edition Spielwiese gab es direkt zum Anspielen dazu. Uwe Rosenbergs neues Plättchenlegespiel Framework habe ich ja gerade erst auf diesem Blog rezensiert. In ungewöhnlichem Schachtelformat, und zwar mit einer Klappschachtel, kommen die beiden neuen Kreativspiele daher. Beide Schachteln sind sogar ins Spielgeschehen eingebunden. Während sich die Schachtel bei Animotion als Würfelbecher nutzen lässt, enthält reMEmber eine Spielkarte, die mit einigen wenigen Scherenschnitten zum Punktezähler umfunktioniert werden kann. Bei Animotion handelt es sich um eine Neuauflage von Animal Suspect aus dem Jahr 2014, an reMEmber wird sich erinnert fühlen, wer das 2018 beim selben Verlag erschienene Farben kennt. Das kompetitive Spielprinzip hat sich damals vor allem als Hilfsmittel im beruflichen Umfeld etabliert, der Nachfolger soll nun als kooperatives Spiel die Spieler daheim ansprechen.

Auch bei Frosted Games wird an vielen neuen Titeln gewerkelt. Mussten sie bei Sentinels of the Multiverse auf den letzten Metern noch abspringen, so kommen bald Endless Winter, Frostpunk und Aeons End Legacy als deutsche Versionen auf den Markt. Auch die Reihe der kleinen Button Shy-Spiele wurde mit Die Reisbauern, Agropolis und GegenSatz weiter geführt.

Deep Print Games wollte in einem Live-Interview groß ankündigen, dass sie mit Skymines eine thematisch unkritischere Neuauflage von Mombasa veröffentlichen werden. Die Bekanntgabe erfolgte stattdessen in den sozialen Medien.

Auch bei den Bretterwissern haben wir so gut es geht wir über die Eindrücke zum leider nicht wirklich stattgefundenen Event gesprochen.

Herde - Neuzugänge

Azul – Die Gärten der Königin

(Michael Kiesling, Next Move Games)

Auf der SPIEL konnte ich schon erste Blicke auf das vierte Azul-Spiel erhaschen, nun ist endlich ein deutschsprachiges Exemplar bei mir eingetroffen. Wobei sich die Sprache lediglich auf die Anleitung bezieht, das Spielmaterial ist gewohnt sprachneutral. Die gewohnt wertigen Bakelit-Spielsteine sind dieses mal sechseckig und zeigen eine von sechs Farben sowie eines von sechs Symbolen. Die Abbildungen weisen auf die Punktzahl hin. Ein Baum bringt einen Punkt ein, ein Vogel mit zwei Flügeln zwei, drei Schmetterlinge führen zu drei Punkten usw. Die Spieler erhalten neben einem Tableau zum Platzieren der Spielsteine auch eines, um die aus der Auslage gewählten Steine und Plättchen zwischenzulagern. Das eigene Spielertableau muss erst mit Plättchen erweitert werden, bevor die außen liegenden Flächen Spielsteine aufnehmen dürfen.

Auf dem gemeinsamen Spielplan lassen sich nicht nur die Punkte abtragen, eine Drehscheibe zeigt auch die unterschiedlichen Wertungen für die vier Runden an. Zum Ablegen der Spielsteine ist wieder ein hoher Pappturm dabei, aus dem sich die Plättchen erneut schnell zurück in den Beutel befördern lassen, wenn dieser leer ist. Die Farbgebung der Spielsteine finde ich tatsächlich etwas unglücklich, da neben blau und gelb jeweils zwei verschiedene Grün- und Violett-Töne verwendet wurden.

First Rat

(Gabriele Ausiello und Virginio Gigli, Pegasus Spiele)

Schon einige Wochen vor dem geplanten Online-Pressetag war First Rat verfügbar. Es wurde bereits im Herbst angekündigt und machte damals schon auf sich aufmerksam, da es sich um ein Laufspiel für Kennerspieler handelt. Das erscheint erst einmal völlig gegensätzlich. Das Spielthema ist ebenso verrückt: Als Ratten versuchen die Spieler Rohstoffe auf ihrem Schrottplatz zu sammeln, um eine Rakete zum Käsemond zu bauen und damit abzuheben. So erklärt es sich auch, warum neben Käse auch Flaschen, Backpulver, Blechdosen, Taschenrechner, Energydrinks und Kronkorken dort zu finden sind.

Neben den fünf verschiedenen Spielerfarben liegen auch graue Ratten und Wertungssteine bei. Dieses neutrale Spielermaterial kommt bei allen Partien zum Einsatz, bei denen weniger als fünf Spieler beteiligt sind, was ich zunächst ungewöhnlich empfand. Dadurch wird versucht auch bei weniger Spielern für Konkurrenz bei den Wertungsleisten zu sorgen. Ich konnte es bisher nur zu zweit spielen und da passierte für meinen Geschmack einfach zu wenig auf dem Spielplan. Ich freue mich schon auf Partien mit mehr Spielern und wie diese dann verlaufen.

Grasen - Frische Spieleindrücke

Polynesia

(Peer Sylvester, Asmodee – Osprey Games)

Irgendwie tue ich mich mit den Spielen von Peer Sylvester meist eher etwas schwer. Mit Polynesia hat er aber wieder genau meinen Geschmack getroffen. Die Spieler versuchen dabei ihre Stammesmitglieder vor dem bald ausbrechenden Vulkan auf weiter entfernte Inseln zu verfrachten. Dazu legen sie Schiffsrouten an, die sie mit Fisch oder Muscheln bezahlen, sodass diese Ressourcen auch produziert werden wollen. Die Routen anderer Mitspieler lassen sich gegen Bezahlung ebenfalls benutzen, wenn ein Stammesmitglied des anderen Spielers als Reiseführer mitgenommen werden kann.

Nur vier einfache Aktionen stehen den Spielern pro Zug zur Verfügung, bei vielen davon bestimmt die aktuelle Phase (3,2,1) den Ertrag oder die Kosten. Das finde ich gelungen, denn so sind manche Aktionen früh in der Runde lukrativer als später, aber manche benötigen auch einfach noch etwas Vorbereitung und schon lassen sich die Aktionen nicht mehr ideal auslösen. Trotzdem die Nase vorn zu behalten und mehr Punkte zu erzielen, ist für mich eine spannende Aufgabe. Zufällig kombinierte Gezeitenkarten in drei Kategorien sorgen für immer andere Sondereffekte und/oder Wertungen im Spiel, wodurch sich kaum eine Partie spielt, wie eine andere.

Zu zweit sorgt eine Regelanpassung dafür, dass jede Schiffsroute nur von einem Spieler erschlossen werden kann. Interessanter wird es für mich jedoch mit drei oder vier Spielern. Dann leidet allerdings die Übersicht, da jeder Schiffsroute eine Ressource zugeordnet wird und mit fortschreitendem Spiel auch immer mehr Stammesmitglieder und Schiffe in den Spielerfarben auf dem Spielplan verteilt sind.

Honey Buzz

(Paul Salomon, Skellig Games)

Bei Honey Buzz hat sich bewahrheitet, was ich beim Auspacken schon geahnt habe: Hinter der niedlichen Fassade steckt ein verzahntes Spiel mit einiger Interaktion. Die Optionen im eigenen Zug sind dabei eigentlich total übersichtlich. Entweder setze ich Bienen ein, um ein neues Wabenplättchen zu erhalten und zu verbauen oder ich hole alle meine Bienen zurück. Beim Einsetzen ist es erforderlich eine Biene mehr zu platzieren, als dort bereits in einem Stapel ausliegen. Wenn ein Spieler seine Bienen zurück nimmt, kann es sein, dass ein höherer Stapel eines anderen Spieler dort zunächst verbleibt und die Optionen für nachfolgende Spieler weiter einschränkt.

Wer eine Wabe vervollständigt, löst alle angrenzenden Aktionen aus. So gelangen die Spieler an Pollen zum Füllen der Waben, können Nachwuchs zeugen, Honig produzieren und diesen auch verkaufen.

Ich finde das Optimieren der eigenen Auslage und das geschickte Aufeinander abstimmen der auszulösenden Aktionen bislang wirklich reizvoll. Mit unterschiedlichen Platzierungsvorgaben der Startplättchen und verschiedenen Wettbewerben steckt da auch noch viel Variation drin, die es zu erkunden gilt.

Ähnliche Artikel:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert