Als letzte Etappe vor der diesjährigen SPIEL war ich am vergangenen Wochenende in Stuttgart beim Kosmos Verlag. Für mich war es nach einigen Kosmos Pressetagen im zentral gelegenen Kloster Haydau in Morschen der erste Besuch des Kosmos Hauptquartiers. Dort ging es allerdings erst am Samstag hin. Freitag startete der Pressetag im Statdtpalais, wo derzeit die Ausstellung “Vier Welten. Ein Kosmos. Dein Erlebnis.” zu erleben ist. Dort gibt ist unter anderem das allererste Buch ausgestellt, welches bei der Franckh’schen Verlagshandlung 1823 erschienen ist. Ebenso findet man dort den ersten Experimentierkasten, der genau 100 Jahre nach Verlagsgründung auf den Markt kann. Auch den ersten Prototyp des erfolgreichen Spiels Die Siedler von Catan gibt es dort zu bestaunen. Das erste Spiel, welches 1931 beim mittlerweile in Kosmos umbenannten Verlag erschien, war ein Fußball-Spiel für zwei Personen und hieß Schuss auf’s Tor.
Nach einem kurzen Ausflug in 200 Jahre Verlagsgeschichte widmeten wir uns den restlichen Abend nur noch einem Kosmos: Den aktuellen Brettspielen. Die Location war dabei schon besonders, denn wer kann schon behaupten mal nachts im Museum gespielt zu haben?
Terra Nova
Das erste Spiel des Abends wurde vom Autor persönlich eingeleitet. Andreas Faul ist selbst großer Terra Mystica-Fan, fand es aber immer schade, dass dieses Spiel zu komplex für die meisten seiner Familienmitglieder war. Daher begann er daran zu feilen, die Komplexität zu reduzieren, aber die wesentlichen Mechanismen zu erhalten. Und mit dieser Idee trat er an Frank Heeren von Feuerlandspiele heran, der direkt Bedarf an einer solchen Version signalisierte und mit dem Autor gemeinsam die Idee weiter verfolgte. Wie auch schon bei Fire & Stone, welches bei Feuerland entwickelt und bei Pegasus Spiele erschienen ist, suchte Feuerland auch für Terra Nova einen Verlag in dessen Verlagsprogramm dieses Kennerspiel besser passen würde. Und so kam es zur Kooperation mit dem Kosmos Verlag.
Als besondere Mechanismen von Terra Mystica wurde das Ressourceneinkommen durch Gebäudebau und der Kreislauf der Machtschalen identifiziert. Beides wurde bei Terra Nova vereinfacht umgesetzt. Weitere wesentliche Elemente sind die Asymmetrie der verschiedenen Völker sowie die hohe Variabilität und der Wiederspielreiz durch Vorteils- und Rundenwertungsplättchen. Beibehalten werden sollte auch das friedliche Aufbauspiel ohne Zufallselemente während des Spiels. Es gibt nun einfach von vielen Aspekten weniger: Weniger unterschiedliche Landschaften, weniger Gebäudearten, weniger verschiedene Ressourcen, weniger mögliche Spieler und weniger Runden pro Partie. Zusätzliche wurden manche Elemente komplett eingestampft, wie das Kulttableau, Machtopfer, Gunstplättchen oder Verbesserung der Spaten. Mit den Rückseiten der Spielertableaus und einer Variante zur Spielerreihenfolge lässt sich der Anspruch nach einigen Partien sogar ein wenig steigern. Für das Spiel zu zweit sind darauf optimierte Varianten enthalten.
Die Erstpartie machte mir Spaß, ich habe mich immer wieder an Terra Mystica erinnert gefühlt. Aber eigentlich mag ich das Original genau so wie es ist, denn Terra Mystica ist einfach ein grandioses Spiel. Allerdings ein umfangreiches Expertenspiel mit entsprechender Spielzeit. Terra Nova ist einfacher zu erlernen und schneller gespielt, kann vielleicht weniger erfahrenen Spielern den Weg hin zu Terra Mystica ebnen. Oder einfach auch mal “zwischendurch” gespielt werden, da die Partien nicht so lange dauern und es dadurch vielleicht die Chance bekäme, häufiger auf dem Tisch zu landen.
Inside Job
Beim letzten analogen Kosmos Pressetag spielten wir das kooperative Stichspiel Die Crew, welches später als Kennerspiel des Jahres ausgezeichnet wurde. Auch dieses Jahr hat Kosmos wieder ein besonderes Stichspiel im Programm. Dabei geht es ebenfalls kooperativ zu, allerdings gibt es einen Insider, der ein anderes Spielziel verfolgt. Das Stichspiel an sich ist recht konservativ, mit vier verschiedenen Farben und Trumpfregel.
Ein Stichspiel mit verdeckten Rollen habe ich zuvor noch nicht gespielt. Es bietet für meinen Geschmack genau den richtigen Grad an Potenzial als Insider beschuldigt zu werden oder sich verteidigen zu müssen. Als Insider muss man sich beim Ausspielen von Karten an keine Regeln halten, könnte sich aber schnell verraten, wenn man früh davon Gebrauch macht. Erst wenn nach einer bestimmten Anzahl von gespielten Stichen noch keine Seite gewonnen hat, versuchen alle den Insider zu entlarven. Die Erstpartie zu dritt war okay, allerdings haben alle Mitspieler von sich behauptet kein großer Fan von Stichspielen zu sein. Ich bin gespannt zu erleben, wie dieses Spiel bei Stichspielerfahrenen Spielern ankommt.
Death Valley
Als letztes Spiel des Abends kam Death Valley auf den Tisch. Auch hier wirkt die Veröffentlichung bei Kosmos zunächst ungewöhnlich, wurden doch alle anderen Spiele von Button Shy Games bislang bei Frosted Games lokalisiert. Hier war Kosmos nun aber schneller und Frosted Games soll ihnen den Vortritt gelassen haben, da ein Verlag wie Kosmos vermutlich mehr Spieler erreicht, die dadurch in den Genuss eines tollen Spiels kommen.
Beide Spieler dokumentieren mit Wüstenkarten ihre Reise durch das titelgebende Death Valley. Die Karten zeigen neben einem Karteneffekt und möglichen Siegpunkten eines von vier Gefahrensymbolen. Es ist gewissermaßen ein Push-your-Luck-Spiel, denn man kann sich nur entscheiden eine weitere Wüstenkarte seiner Reise hinzuzufügen oder Karten aus der Reise ins Album zu verschieben. Dort sind die Karten gesichert, aber ihre ggf. aufgedruckten Siegpunkte zählen nicht mehr. Die Gefahrensymbole der jeweils obersten Karte im Album zählen jedoch weiterhin und machen den Spielern das Leben schwer. Wer nämlich das dritte Gefahrensymbol einer Art seiner Auslage hinzufügt, muss seine aktuelle Reise abbrechen. Es sei denn Karteneffekte verhindern dies. So versuchen die Spieler geeignete Karten in ihrer Auslage zu kombinieren, um damit bei Spielende die meisten Punkte einzufahren.
Weitere Neuheiten
Neben den an diesem Wochenende ins Rampenlicht gestellten Spielen, hat der Verlag natürlich noch weitere im anstehenden Verlagsprogramm. Wer jetzt auf My Island, Der Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg oder Die Legenden von Andor – Die Ewige Kälte hofft, muss sich leider noch bis Anfang 2023 gedulden. Diese Spiele schaffen es leider nicht ins Herbstprogramm.
Dafür gehen beliebte Serien des Verlags weiter. Das neue Exit-Spiel für Fortgeschrittene, Das Verschwinden des Sherlock Holmes, soll mit persönlichen Nachrichten ein wirklich neuartiges Element einführen. Beim neuen Adventure Game Expedition Azcana reisen die Spieler in verschiedenen Kapiteln in den Regenwald. Den Mord an einem Starkoch gilt es im neuen Ermittlerspiel Murder Mystery Case Files Mord a la Carte zu lösen. Bei Suspects erscheint mit Ewiger Fluch nun der dritte Teil. Und mit Catan – Aufbruch der Menschheit bekommt Abenteuer Menschheit 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung ein neues Gewand. Für Machi Koro kommt mit Die neue Stadt eine leicht überarbeitete Version des bekannten Spielprinzips heraus.
Bereits für einige Diskussionen in den sozialen Medien hat die Targi – Bonusbox gesorgt, da die Schachtel viel größer ist, als es der Inhalt vermuten ließe. Dabei hat der Verlag erst letztes Jahr bei Die rote Kathedrale bewiesen, wie man Spieleschachteln effizient ausfüllt. Die Entscheidung hat sich der Verlag nicht einfach gemacht, aber dies war tatsächlich die kostengünstigste Variante, da das quadratische Standard-Format für zwei Spieler zum Einsatz kommt. Zudem bringt dieses Format den Vorteil mit sich, dass der Handel die Bonusbox leichter direkt neben dem Grundspiel platzieren kann.
Den Bogen von Brettspielen zu Büchern spannt Kosmos diesen Herbst mit diversen übergreifenden Produkten. Klaus Teuber hat einen historischen Roman zu Catan verfasst. Auf 400 Seiten gibt es den ersten Teil der angedachten Trilogie zu lesen. Zu Die Legenden von Andor erscheint mit Varkurs Erwachen ein Graphic Novel mit der Vorgeschichte des Magiers Varkur. Darin enthalten ist eine Mini-Erweiterung für das Spiel. Das Buch Die Crew: Die Rückkehr zum 9. Planeten bietet ein Abenteuer in zwei Spielperspektiven mit vielen Möglichkeiten, die Geschichte zu beeinflussen. Um ein wirkliches Choose-Your-Own-Adventure handelt es sich bei Adventure Game – Books: Die Akademie der Zeitenwächter.
Kids Chronicles
Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der neuesten Rätselspiele für Kinder, die Redakteure der Erwachsenenspiele durften ihr wohl verdientes Wochenende genießen. Gespielt wurde heute im Kosmos-Shop und im Anschluss daran gab es noch eine Führung durch die Räumlichkeiten, wo die Verlagsprodukte entstehen und im Archiv für die Nachwelt festgehalten werden.
Gemeinsam begaben wir uns mit dem Tutorial auf Die Suche nach den Mondsteinen, dem ersten Spiel der Kids Chronicles. Das Spiel funktioniert ganz ähnlich wie Chronicles of Crime, bringt daher auch ähnliche Nachteile mit sich. Mit Hilfe einer zwingend erforderlichen App, scannen die Spieler Orte, Charaktere und Gegenstände, um zu erfahren was im Königreich so vor sich geht und wo ihre Hilfe von Nöten ist. Werden die Gegenstände dann noch erfolgreich kombiniert, lassen sich die Probleme in Luft auflösen. Die App ist zwingend erforderlich und immer wieder zentraler Mittelpunkt des Spiels.
Leider gibt es in der App viel zu lesen, eine Sprachausgabe existiert nicht. Von daher ist die Altersangabe ab sieben Jahren wohl eher als Empfehlung für das gemeinsame Spielen mit Erwachsenen zu sehen.
Exit Kids
Die Exit-Spiele gibt es mittlerweile in den drei Schwierigkeitsstufen: Für Einsteiger, Fortgeschrittene und Profis. Für Kinder gab es bislang nur das 2018 erschienene Exit Kids Code Breaker, bei dem die Kinder kleine Rätsel lösen und entsprechende Plättchen finden müssen. Spielerisch war dies aber relativ weit entfernt von den Erlebnissen der beliebten Exit-Spiele. Mit Exit Kids ist es nun gelungen, das Exit-Prinzip kindgerecht anzupassen, aber dennoch in Grundzügen beizubehalten.
Aus der Decodier-Scheibe wurde eine Rätselscheibe, sie zeigt verschiedene Tiere auf den drei Scheiben. Entsprechend bestehen die zu ermittelnden Codes auch nur aus Tieren. Sechs Aufgaben, die immer etwas anspruchsvoller werden, müssen die Spieler lösen, um mit den gesammelten Schlüsseln die Inhalte ausgewählter Schatzkisten zu entdecken. Jeden Aufgabentyp gibt es in verschiedenen Ausführungen, sodass Exit Kids – Rätselspaß im Dschungel sogar mehrfach lösbar ist. Das Spiel arbeitet ausschließlich mit Bildern, es sind keine Lesefähigkeiten erforderlich. In meinen Augen eine wirklich gelungene Umsetzung, die auch so manche Überraschung bereithält und die Kinder damit hervorragend an das Exit-Spielprinzip heranführt.
Fazit
Die Kosmos Pressetage waren wieder ein gelungenes Event, der Verlag lässt sich immer einiges einfallen, um seine neuen Spiele gekonnt in Szene zu setzen. Vielen Dank an Silke Ruoff und Anna Satrapa für die Planung und Durchführung dieses Events, bei dem man sich zu jeder Zeit wunderbar umsorgt fühlen konnte. Auch wenn es nicht alle ursprünglich für diesen Herbst angekündigten Spiele nach Essen schaffen werden, erscheinen in nächster Zeit manch interessante Titel. Und das für alle Altersklassen und verschiedene Ansprüche. Mein persönliches Highlight war Terra Nova, wobei es ja eigentlich keine echte Neuheit ist, sondern nur die angepasste Version eines hervorragenden Spiels. Aber auch diese zu entdecken ist spannend.
